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SEX im Gottesdienst

Das Tabu-Spiel am Sonntagmorgen

Als Mose vom Berg kommt, sagt er: „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Ich hab ihn auf zehn runtergehandelt. Die schlechte: Ehebruch ist immer noch dabei!“ Sex im Gottesdienst: eine bizarre Landschaft aus massenhaft aufgestellten Fettnäpfchen, herumliegenden heißen Eisen, ganz viel dünnem Eis, am Rande eines Abgrundes! Man hört so selten mal was drüber. Aber bitte nicht mit unfreiwilligen Wortspielen. So wie z. B. in dem Gottesdienstprogramm, in dem ganz am Anfang steht: „Vorspiel von der Bläsergruppe.“ Wahrscheinlich verstehen manche der besonders Frommen nicht, was daran komisch sein soll, aber die Teens und die Jungs vom Stammtisch (sollten sie sich mal in einen unserer Gottesdienste verirren) werden was zu grinsen haben.

GEWÜNSCHT: DAS THEMA NICHT RTL ÜBERLASSEN
Weshalb ist Sexualität unter den drei großen Tabus der Gemeinden neben Geld und Glaubenszweifeln die peinlichste und die mit den meisten Ängsten besetzte Thematik? Warum überlassen wir dieses Thema eigentlich RTL und dem Internet und können selber bestenfalls nur in Schlagworten und mit Angstschweiß auf der Stirn moralisieren? Warum stochern wir eigentlich so im Unklaren und tun so, als wären auch wir in der Schmuddelecke gefangen? Wie wäre es, für die menschliche (und von Gott ausgedachte) Sexualität zu werben, ohne irgendwelche Hochglanzbilder-Klischees? Wie wäre es, wenn wir mal relevant, ehrlich und mit klaren Worten über Lust, Selbstbefriedigung, Ehebruch, Verführung, Libido, Zärtlichkeit, Treue und Enthaltsamkeit reden würden? Und nicht nur über Homosexualität, und dass zu einer Ehe auch die Bereitschaft zum Kinderkriegen gehört? Wenn in der Bibel in alten Übersetzungen steht: „Und er erkannte sein Weib“, dann meinen manche immer noch, dass der Mann dann „Ach du bist’s, Wilhemine“ sagte. In der Bibel steht erstaunlich viel über Sexualität. Da lesen wir von Huren, von Ehebruch, ein ganzes Buch der Bibel beschreibt Brüste und andere Körperteile. Wir deuten das im übertragenen Sinne und warnen vor Verirrungen. Schade eigentlich!

GESUCHT: EHRLICHE EINBLICKE
Ein Freund von mir predigte einst in einer jungen dynamischen Gemeinde über den Beistand, den Heiligen Geist, als Vorsteher, Leiter und Prostata. Hä? Ist Griechisch und bedeutet: Vorsteher bzw. Vordermann. Ein stummer Aufschrei und hinterher durchaus berede Kritik waren das Ergebnis. Gehört so etwas in die Predigt, auch noch so unverhofft, quasi ohne Vorwarnung? Ich meine: Ja! Folgende Gliederung wäre ein schöner Anfang einer ganzen Predigtreihe: Sex: Warum auch nicht?; Sex: Mehr als nacktes Fleisch?; Sex: Größer, weiter, länger? Und nein, dazu brauchen wir keine Plakate mit leicht bekleideten Mädels zum Einladen der Bevölkerung. Und auch keinen Chor der männlichen Singles oben ohne, der das erste Lied vorträgt „Noch haben wir sie nicht gesehen, noch warten wir darauf …“. Sondern Menschen, die ehrliche Einblicke geben. Das darf durchaus provokant sein – aber sollte auf jeden Fall verantwortlich, kreativ, achtsam und bestenfalls mit Humor geschehen. Und bei allem bleibt Sexualität auch persönlich, geheimnisvoll, lustvoll und wild. Spannend eben.

Meiner Meinung nach gibt es überhaupt nur eine Berechtigung, über Sex zu predigen und es zum Thema in unseren Gottesdiensten zu machen: Es ist Gottes Idee, und er hat jeden Menschen als sexuelles Wesen geschaffen und es nicht nur denen in der Hochzeitsnacht verliehen, die in formal richtigem Familienstand leben. Also mag vielleicht für viele der Höhepunkt im Höhepunkt liegen, doch gibt es doch viele andere Themen, die da mitschwingen: Lust am Körper, am Anspannung-Entspannungs- Phänomen, Freude an Schönheit, Romantik, Wildheit, Augenblickverzückung, Gemeinschaft, Berührung und vor allem Humor und Kreativität. Das wollen wir gerne hören, unabhängig vom Alter, Geschlecht und Status. Ja, es ist nicht leicht, auf den Punkt zu kommen, für jede Lage und Stellung. Und mit diesem Geschenk verantwortungsvoll umzugehen, genau wie mit all den anderen Gaben wie Geld, Kinder und Wissen. Aber es gehört zu den zentralen Themen des Menschseins.

GEBRAUCHT: MUTIGE PREDIGER UND ZUHÖRER
Nur Mut – ihr Prediger und ihr Zuhörer. Es wäre auf jeden Fall realistischer und hilfreicher als die „Informationsprogramme“ spätnachts. Und dann gönnen wir uns doch gleich auch noch Gesprächskreise, in denen ethische Themen anspruchsvoll vorbereitet und mal ungeschützt diskutiert werden. Die jahrzehntelange Ansage „Kein Sex vor der Ehe, sonst droht Schwangerschaft“ wurde leider niemandem richtig gerecht und war auch keine große Hilfe.

Stefan Bitzer (www.stefanbitzer.de) aus Reutlingen war zehn Jahre lang Pastor. Heute arbeitet er als Vorsorge- und Trauerberater. Zudem ist er Hochzeitsredner (www.rent-a-pastor.com) sowie Mentor und Coach.

Was sind Ihre Gemeinde- oder gar Gottesdiensterfahrungen mit diesem Thema? Haben Sie gute und gelingende Beispiele vor Augen? Erzählen Sie es uns hier auf www.MOVO.net oder per Mail an info@MOVO.net
Sexverbesserer

Männer sehnen sich nach beglückendem Sex. Der fällt allerdings nicht vom Himmel.

Dieses Jahr feiern wir unseren 13. Hochzeitstag, dazu den neunten, siebten, fünften und zweiten Geburtstag unserer Söhne. Ja, wir haben immer noch Sex! Mal mehr, mal weniger, mal besseren, mal schlechteren. Im Schnitt sicher einmal pro Woche. Ich habe mich dafür entschieden, offen zu sein. Es ist wichtig, dass wir über Sex reden. Denn genau da beginnen die Probleme. Bei der fehlenden oder falschen Kommunikation. Nein, ich denke nicht an die Gespräche mit den Kumpels in der Kneipe beim Bier. Was ich meine: Kannst du mit deiner Frau über euren Sex reden? Hast du ihr gesagt, was dich antörnt? Wie oft du mit ihr schlafen willst, und welche sexuellen Dinge du mit ihr erleben möchtest? Und umgekehrt: Kennst du ihre Vorlieben und No-Gos?

Wenn es darum geht, meiner Frau zu sagen, was ich mir wünsche, spüre ich oft eine Hemmschwelle. Warum ist das so? Weil ich dann das Risiko eingehe, abgelehnt zu werden. Kein Mann wird gerne abgelehnt. Allerdings: Wer Sex als Tabuthema behandelt,bespricht einen entscheidenden Teil der Ehe nicht. Andere Dinge, wie das Familienbudget oder die Ferienplanung, diskutieren wir – dann sollten wir auch den Sex nicht dem Zufall überlassen. Das Resultat der Haltung „über Sex spricht man nicht“ ist meistens Entfremdung, schlechter Sex und Unzufriedenheit gespickt mit Vorwürfen. Wer bei gegenseitiger Schuldzuweisung angelangt ist, hat den Teamgeist begraben. Game over. Wer guten Sex will, muss also eine Sex-Kultur entwickeln. Aber wie?

Lust ist gottgegeben

Sex ist wichtig für eine glückliche Ehe. Viele ziehen diese wunderbare Erfindung Gottes in den Schmutz. Aber das macht Sex noch lange nicht zu etwas Dreckigem. Wenn ein Mann seine Lust auf Sex als etwas Negatives sieht, lacht sich der Teufel ins Fäustchen. Denn Gott hat unsere Sexualität als etwas Reines, sogar als etwas Heiliges geschaffen. Der Dreck kommt nicht mit der Lust, sondern mit dem falschen Umgang damit. Gott ist für Sex! Hätte Gott etwas gegen Sex, hätte er uns als geschlechtslose Teletubbies erschaffen. Sexuelle Lust ist gottgegeben. Lebe sie mit deiner Frau aus!

Sex braucht Lockerheit

Druck erzeugt Gegendruck und ist oft ein Zeichen von Hilflosigkeit. Wer nicht weiß, wie er seine Frau gewinnen kann, wird auf zweifelhafte Methoden zurückgreifen und seine Frau dabei verlieren. Mein Ziel ist, meiner Frau meine Wünsche offen kommunizieren zu können. Ohne ihr dabei das Gefühl zu geben, dass sie mir das alles gleich heute geben muss. Ich sehe die Ehe als ein Abenteuer: Wir haben Jahre Zeit, uns zu verbessern und Dinge auszuprobieren. Nimm es locker, wenn’s im Bett mal nicht so „flutscht“, denn du bist noch eine Weile verheiratet!

In die eigene Wiese investieren

Da schießt einem dieser Gedanke durch den Kopf: „Mit einer anderen Frau hätte ich mehr und besseren Sex.“ Wer diese teuflische Hintertür öffnet, stiehlt sich aus der Verantwortung. Er reduziert die gemeinsame Sexualität auf das Verhalten einer Person („Sie ist schuld!“). Dieser Mann ist zu faul, sich selbst zu hinterfragen und etwas zu ändern. Die Wiese auf der anderen Seite des Zauns ist nicht grüner! Meine Wiese hat so viel Qualität, wie ich Zeit und Energie in sie investiere. Je mehr ich mich auf meine Frau fokussiere, desto weniger reizen mich andere Frauen. Ich kriege den Fokus auf meine Frau nur scharf, wenn ich aufhöre fremdzugehen! Keine weiteren „mit der wär’s perfekt“-Gedanken. Keine weitere Lustbefriedigung durch andere Frauen (z.B. Porno oder Fremd-schauen). Und keine Gefühle für andere Frauen pflegen – egal, wie viel Bewunderung sie schenkt!

Team im Alltag, Team im Bett

Ich erwische mich ab und zu dabei, wie ich mir Sex verdienen möchte. Und dann bin ich enttäuscht, wenn’s nicht funktioniert. Sex taugt nur selten als Belohnungs-System. Vielmehr ist Sex eine logische Konsequenz einer funktionierenden Teamarbeit. Die Herausforderung ist, dass wir Männer nicht den ganzen Tag anwesend sind. Aber wir können trotzdem da sein. Ich kann meiner Frau tagsüber eine SMS schreiben, kurz anrufen, nachfragen. Zeigen, dass ich an sie denke und mich für sie interessiere. Sie wird merken, dass sie mehr als ein Körper ist, der am Feierabend die Lust des Ehemannes befriedigen muss. Ich bin überzeugt: Wer tagsüber mit seiner Frau kommuniziert, wird eher eine Verbindung mit ihr haben und muss diese nicht mühsam nach dem Arbeitstag herstellen. Team im Alltag, Team im Bett.

Den Motor am Laufen halten

Frustriert bemerkt sie: „Du berührst mich nur, wenn du mit mir ins Bett willst!“ Das blöde an dieser Aussage ist, dass sie oft wahr ist. Ein Freund erklärte mir, dass sich tägliches Küssen (mindestens sechs Sekunden am Stück), positiv auf die Beziehung auswirkt. Die körperliche Verbindung muss aufrechterhalten bleiben. Es muss nicht immer eine lange Rücken- oder Fuß-Massage sein: Zärtliche Berührungen zwischendurch halten den Motor am Laufen.

Sex planen und entwickeln

Damit unsere Beziehung sich gesund entwickelt, brauchen wir ein Ziel. Wohin wollen wir uns entwickeln? Wie soll unser Sex in zehn Jahren sein? Und welche Schritte müssen wir dafür gehen? Sex ist ein Lebens-Projekt, das man aktiv gestalten muss! Denn die Sexualität entwickelt sich immer in die eine oder andere Richtung: Wer investiert, wird profitieren. Wer es dem Zufall überlässt, wird unter Umständen in einem fremden Bett zu sich kommen. Setze dich mit deiner Frau zusammen. Plant zusammen Auszeiten, kinderfreie Stunden und schafft Raum, damit sich eure Sexualität entwickeln kann.

Reto Kaltbrunner ist Pastor des ICF St. Gallen und Gründer des ICF Mens World. Sein Herz schlägt höher, wenn Menschen eine Begegnung mit Gott haben und Männer in ihre göttliche Identität hineinfinden.