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In den Sand gesetzt

Mutig Aufstehen

Andi Weiss besingt in seinem neuesten Album »Laufen Lernen« das Männerleben zwischen Wiege und Bahre. Grund genug, sich mit diesem Poeten einmal in einem Münchner Café zum Plaudern zu treffen.

Heute schon gelaufen?
(lacht) Ja, heute Mittag. Unser Söhnchen fand nicht in den Schlaf. Da habe ich ihn in den Wagen gepackt und 38 Mal ums Haus geschoben. Da spart man sich das Fitnessstudio.

Warum fordern Sie als jemand in der Lebensmitte Menschen auf, laufen zu lernen?
Vor zwei Jahren bin ich Vater geworden. Dabei entdeckte ich: Nicht nur Kinder, sondern auch Eltern müssen laufen lernen. Da erschließt sich einem ein ganz neues Universum. Das Leben fordert uns heraus, immer wieder ins Laufen zu kommen. Es gilt, neue Wegstrecken unter die Füße zu nehmen, sich neue Ziele zu setzen, sich bewusst zu sagen: Diesen Weg bin ich jetzt 38 Mal gelaufen, jetzt wird es aber Zeit, sich diese Strecke aus einer neuen Perspektive anzuschauen, oder aber einen anderen Weg einzuschlagen, um sich wieder herauszufordern.

Und warum tun wir Männer es dann nicht?
Weil uns Bequemlichkeit und Angst in die Quere kommen.

Mit dem Laufen verbinden viele Schweiß, Muskelkater, Atemlosigkeit. Sie gewinnen dem Laufen offensichtlich etwas Positives ab?
Ähm. Nächste Frage, bitte. Ein Freund von mir, der weiß, wie viel Sport ich treibe, sagte mir: Andi, der Titel der CD ist unglaubwürdig. (lacht herzhaft) Ehrlich: Ich bin nicht der sportliche Schwitzer. Mich interessiert aber der Lebensschweiß. Mir liegen Menschen am Herzen, die sich im Leben schon einmal eine blutige Nase geholt haben oder abends fix und fertig nach Hause kommen.

Ihre CD ist daher nicht nur ein Genuss für sportliche Männer?
Definitiv nicht.

Wie ein roter Faden zieht sich durch die Scheibe das Motto „Aufstehen nach dem Hinfallen“. Was wollen Sie damit ausdrücken?
Ich schreibe Lieder aus meinem Lebenskontext. Ich bin Familienvater, Ehemann, Vater, Freund, Nachbar, Diakon, Logotherapeut,… Und in diesem Sein scheitert man eben auch. Wir brauchen auch unter Männern, in unseren Beziehungen und in unseren Gemeinden eine Kultur des Scheiterns.

Sollen wir mehr zu unseren Schwächen und Fehlern stehen?
(leidenschaftlich) Unbedingt! Wir frönen nicht selten einer geistlichen Olympiade: „Mein Haus, mein Auto, mein Garten… Das bin ich, das kann ich, das habe ich erreicht, das ist meine Gebetserhörung.“ Gerade wir Männer sind großartig in dieser Disziplin. Und genau darin müssen wir fröhlich umdenken lernen: „Hey, es gehört auch zum Leben, dass ich Brüche und Wunden habe, dass ich begrenzt bin.“ Papst Franziskus sagt: Die Kirche soll ein Lazarett sein. Damit drückt er aus: Das Scheitern und Hinfallen gehört zum Leben, auch von uns Männern.

Sie singen in einem Refrain „Ich bring dich durch den Sturm“. Welche Botschaft verbirgt sich für Männer (und Frauen) dahinter, denen sprichwörtlich das Wasser bis zum Hals steht, deren Lebensboot am Absaufen ist?
Ein Mann kam zu mir und packte ehrlich aus, wie es um ihn steht. Er sagte: „Im Beruf, in der Familie, überall muss ich der starke Mann sein, aber keiner merkt, wie es um mich herum und in mir stürmt. Aus Stolz gegenüber meiner Frau, meiner Gemeinde, meinen Freunden und aus Angst, als Schwächling dazustehen, erzähle ich niemandem von den Wellen, die mich zu überspülen drohen.“ Genau aus diesem Grund liegt all meinen Liedern die Wahrheit aus Psalm 23 zugrunde: Und ob ich schon wanderte durchs dunkle Tal, du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich.

Das habe ich vor 35 Jahren im Konfirmandenunterricht auch schon gehört …
Es mag billig klingen, weil es inzwischen auf jeder dritten Sonnenuntergangskarte steht, aber wenn wir über den Glauben reden und diesen Trost ins Spiel bringen, haben wir alles über unseren Glauben gesagt. Gottes Gegenwart zeigt sich nicht in der Gesundheit, im eigenen Häuschen, in dem ich 38 Kinder mit biblischen Vornamen habe und zwanzig Jobs in der Gemeinde ausfülle, sondern darin, dass ich nicht allein bin in den Dunkelheiten des Lebens.

Haben Sie eine Lieblingsstelle in der Bibel, in der es ums Laufen geht?
Ja, Philipper 3,12-14. Als Logotherapeut ist es mir wichtig, nicht nur nach vorne zu schauen. Um mich zu verstehen, muss ich wissen, woher ich komme, was mich geprägt hat. Biografiearbeit ist wichtig, aber es gibt eben auch den Moment in der Begleitung und im Leben, wo es heißt: Jetzt gilt, nicht mehr zurückzuschauen, sondern zum Gestalter des eigenen Lebens zu werden. Männer sollten nach dem Scheitern mutig aufstehen.

Ihre Botschaft an die, die sich noch nicht aufraffen können?
Hab keine Angst vor Menschen und vor Gott. Liebe dich selbst und gehe Risiken ein.

Warum sollte ein Mann nicht allein laufen?
(stöhnt) Der Mann, der einsame Wolf. Das ist so ein typisches, aber eben auch trauriges und wahres Bild. Ich habe viele gute Freunde, die mir alle sagen: Eigentlich bin ich Einzelgänger. Obwohl ich viele Freunde habe, erlebe ich mich auch als Einzelgänger. Ich habe eine klasse Frau, die zugleich meine beste Freundin ist. Trotzdem scheint es typisch männlich zu sein, dass man denkt, du bekommst dies auch ohne Nachfragen und Navigation allein auf die Reihe. Wir Männer brauchen jemanden, der uns liebevoll und zugleich kritisch zurückmeldet, wo der Hammer hängt. Wir brauchen Menschen, die uns hinterfragen, alles andere ist billig. Ehrliche Männer und Frauen sind Gold wert, wenn man laufen lernen will.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

 

Rüdiger Jope

 

Mehr zu Andi Weiss und seinen Tourneedaten 2017 unter: www.andi-weiss.de

Von der Klippe gestoßen

Absturz im Beruf. Turbulenzen in der Familie. Zu müde zum Berge versetzen.

Der 17. Januar 2012. Ich kann mir diesen Tag besser merken als manchen Geburtstag. Es war der Tag, an dem ich als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens in die Zentrale der ausländischen Muttergesellschaft bestellt wurde. Kein Grund wurde genannt, es sollte sich wohl einfach um ein Jahresauftaktgespräch handeln. In dem gläsernen Büro meines Vorgesetzten wurde mir dann eröffnet, dass ich die Position des Geschäftsführers meiner Firma aufgeben müsse, um Platz zu machen für einen anderen. Ich fiel förmlich von einer Klippe.

ROTATION ALS GESCHÄFTSMODELL
Noch im Büro meines Vorgesetzten sitzend, wollte ich den Grund wissen, was zu der Entscheidung meiner Abberufung geführt habe. Die Aussage, es gäbe keinen spezifischen Grund, es sei nur mal eine „Rotation“ in der Führungsriege notwendig, sollte ausreichen. Man führte mich in einen Konferenzraum, in welchem mein Nachfolger auf mich wartete: Ein Kollege aus einem ausländischen Schwesterunternehmen, der selbst verunsichert war, mir gegenüberzutreten, kannten wir uns doch schon über viele Jahre.

Ich erinnere mich, dass ich auf dem Rückweg am Flughafen kulinarische Dinge kaufte, um damit zu Hause meiner Familie die neue Situation zu eröffnen, die doch „eigentlich“ gar nicht so schlecht sei. Eine besondere Art der Verdrängung, welche ich schon immer gut beherrschte: Bloß nichts hochkommen lassen.

Im März 2012 trat ich dann selbst vor die versammelte Belegschaft, um die Veränderung bekannt zu geben und unterstützte meinen Nachfolger nach bestem Wissen und Gewissen tatkräftig bei seinen Aufgaben. In meiner zurückgestuften Position kümmerte ich mich wieder ausschließlich um den Vertrieb und die geschäftliche Entwicklung des Unternehmens im Außenverhältnis.

Im selben Jahr entwickelte sich gerade ein Sturm in unserer Familie zu einem Orkan. Unser jüngstes von drei Kindern, das wir im Alter von zehn Monaten als Pflegekind aufgenommen hatten, suchte nach seinen Wurzeln und kam damit selbst nicht klar. Wenn wir uns telefonisch bei der Polizeistation im Nachbarort meldeten und um Hilfe baten, brauchten wir unseren Familiennamen nicht zu buchstabieren, man kannte uns bereits. Der Eklat gipfelte in einem Einsatz mit zwei Polizeistreifen, die sich anstrengten, eine unerlaubte und außer Kontrolle geratene Party unserer Jüngsten in unserem Haus zu beenden, während meine Frau und ich zum ersten Mal seit Langem versuchten, in einem 300 km entfernten Wellness-Hotel übers Wochenende etwas Kraft zu tanken.

Zuhause und in der Gemeinde versuchte meine Frau, alle Bälle in der Luft zu halten, um dann erst einen Hörsturz zu erleiden und anschließend in einem Burnout zu landen, welcher ihr einen mehrmonatigen Klinikaufenthalt bescherte.

DER STURM IN MIR
Und in mir? Da tobte ein Sturm, dem ich nicht erlaubte, herauszukommen. Ich suchte schließlich eine professionelle psychologische Beratung auf. Nach vielen Wochen erlaubte ich mir nach einer morgendlichen Sitzung, mich für den Rest des Tages krankzumelden. Bei einem Spaziergang in den Weinbergen ließ ich meinem Frust und meinen Tränen freien Lauf. Ich war zutiefst frustriert. Von Gott erwartete ich keine Antwort mehr. Nicht, dass ich ärgerlich auf ihn gewesen wäre – es war schlimmer: Es war eine geistliche Apathie, fast schon eine Agonie, und meine stetige Frage an Gott war: Wozu?

Anderthalb Jahre nach der ernüchternden Nachricht kündigte ich, um wieder ganz klein anzufangen. Meine neue Aufgabe besteht darin, eine Niederlassung für ein ausländisches Unternehmen im deutschsprachigen Raum aufzubauen. Eine neue Erfahrung, dass man nicht einfach den Mitarbeiter aus der IT-Abteilung anruft und ihn bittet, den neuen Rechner einzurichten. Oder ohne die Unterstützung der Human Ressources- Abteilung Stellenanzeigen zu formulieren und Mitarbeiter einzustellen. Als vor wenigen Wochen dann die Agenda des internationalen Sales-Meetings kam und ich unter keinem der genannten Punkte als Referent genannt war, merkte ich, dass es mir guttat. Ich durfte in die zweite Reihe treten und einfach nur zuhören. Noch wenige Jahre zuvor hätte mich das verletzt, dass man nicht an meinem Wissen und meiner Kompetenz interessiert wäre.

THERAPIE DES ZWEIFELNS
Während ich diese Zeilen schreibe, merke ich, wie es mir guttut und mein Computermonitor therapeutischen Charakter entwickelt. Weitere Fragen tun sich auf: Ist es erlaubt, sich zu freuen, dass meine damalige Firma seit dem Wechsel nur noch rote Zahlen schreibt und im Jahr meines Weggangs einen Verlust von fast 25 % aufweisen musste? Oder widerspricht das der christlichen Nächstenliebe und ich sollte mich schämen, solche Gedanken zu haben? Ich weiß es nicht.

Mein Glaubensleben hat sich verändert. Früher noch über jeden Zweifel erhaben, lasse ich sie zu und erlaube die Konfrontation mit ihnen. Früher sagte ich anderen, dass sie einfach glauben sollten, da Zweifel nicht in der Lage sind, Berge zu versetzen. Heute lasse ich die Frage zu, ob der Berg überhaupt versetzt werden soll. Dabei hat mir sehr geholfen, dass selbst Jesus Zweifel hatte und seinen Vater fragte, ob das mit der Kreuzigung sein müsse oder ob es auch einen anderen Weg gäbe (Lk 22,42). Scheitern und Zweifel gehören zum Leben, um daraus etwas Besseres entstehen zu lassen.

Dirk Hendrik Kneusels lebt in der Nähe von Darmstadt. Er hat drei erwachsene Kinder und ist Mitglied in der Evangelisch freikirchlichen Gemeinde Mühltal. Er leitet die Niederlassung eines italienischen Unternehmens.

Was haben Sie erlebt? Unter welchen „Abstürzen“ haben Sie gelitten? Was sind Ihre Scheiter- und Lernpunkte des Lebens? Erzählen Sie uns Ihre Geschichte: info@MOVO.net

Karriereabsturz

Er startet motiviert als Führungskraft. Heftige Turbulenzen zwingen ihn, als Mitarbeiter zu landen.

Er kam aus heiterem Himmel. Dieser Satz, den keine Führungskraft jemals hören will: „Ihre Abteilung wird aufgelöst!“ Ja klar, es gab auch organisatorische Gründe, in der Firma wurde „umgebaut“. Aber eben auch diesen einen Grund, den wir Männer so sehr fürchten: Die Abteilung hat nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht. Der Abteilungsleiter ist seiner Aufgabe nicht gewachsen. Der Fisch stinkt vom Kopf. Ich hatte es nicht gepackt.

IN DIE MAGENGRUBE

Volle Breitseite! Treffer in die Magengrube! Du Versager! Rückblende. 1999 hatte ich in der Firma angefangen. Ich ging (meistens) gerne zur Arbeit und mochte die Kollegen, das Produkt und das Flair des Unternehmens. Ende 2011 stellte mich mein Chef vor die Entscheidung: Ich könnte zur Führungskraft für eine Handvoll Mitarbeiter werden oder meine Fachaufgaben ausbauen. Führungskraft zu werden klang gut. Ich entschied mich fürs Führen und mein Chef willigte ein. „Reizvoll“, dachte ich. „Das kann ich“, dachte ich.

Ich startete mit Zuversicht, erkannte in der neuen Aufgabe eine „logische“ persönliche Entwicklung und war überzeugt, auf Gottes Weg unterwegs zu sein. Doch je älter das Jahr 2012 wurde, umso schlechter ging es mir. Die Dinge liefen nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ergebnisse blieben aus. Immer höher stapelten sich die Aufgaben auf meinem Tisch. „Selbermachen statt delegieren“ wurde im täglichen Handeln mein unbewusster Leitspruch. „Irgendwie“ musste es wieder besser werden, ich musste mich nur mehr anstrengen, noch hineinwachsen in die neue Aufgabe, strenger mit mir und meinen Mitarbeitern sein. Von heute aus gesehen ein echt dämlicher Ansatz: Aus dem Stress herauskommen, indem ich mich mehr anstrengte …

ANGST VOR DEM MONTAG

Es stellten sich Magenschmerzen und Schlafstörungen ein. Druck am Sonntag wegen des drohenden Montags. Ich zog mich innerlich zurück und hoffte, es würde von alleine aufhören. Meine Frau signalisierte, dass die Familie sich „mehr“ von mir wünschte. Aufgaben in Haus und Garten blieben liegen. Kleinlaut gelobte ich Besserung und schrieb hilflos To-Do-Listen – natürlich ohne nachhaltigen Erfolg.

Und dann kam dieser Donnerstag Anfang Oktober. Kurz vor Mittag war das erwähnte Gespräch, verbunden mit dem Angebot, als Fachkraft im Unternehmen zu bleiben. Es folgten die härtesten drei Monate meines Arbeitslebens. Hart für mich. Hart für meine Frau. Einerseits weiterarbeiten als wäre nichts, andererseits diese bohrenden Fragen: Wie soll es weitergehen? Bleiben oder Gehen? Ein Jobwechsel rückte ins Blickfeld. Sollte ich die Gelegenheit nutzen und „mich verändern“? Natürlich sollte es wieder eine Führungsaufgabe sein! Mein Tagebuch aus dieser Zeit erzählt, dass mein Emotionspendel heftig ausschlug: Von „Lasst mich weiterarbeiten – und wenn ich Pförtner werde“ bis zu „In dieser Firma kann ich nicht bleiben“. Manchmal von einem Tag auf den anderen. Jeder neue Gedanke barg die vage Hoffnung, endlich den entscheidenden Aspekt gefunden zu haben – bis zum nächsten Gedanken.

DIE NERVEN LAGEN BLANK

Meine Frau musste zusehen, wie sie dem Sturm meiner Gedanken standhielt und bei den schnellen Richtungswechseln mitkam. Unsere Nerven lagen blank. Wir stritten. Wir beteten. Wir rangen um Hoffnung und Mut. Meine Frau sprach mir zu: „In dieser Situation liegt eine Chance verborgen“. Ich bin ihr dankbar, dass sie diese Wochen an meiner Seite gestanden, zugehört und wichtige Fragen gestellt hat. Aus dieser Zeit stammen zahllose Gebete in meinem Tagebuch: „Herr, was hast du vor mit uns? Wo ist denn das Leben in Fülle, das du verheißt?“

Im Ringen um eine Entscheidung erkannte ich nach und nach, was eigentlich abging: Zum einen stand meine Glaubwürdigkeit zur Diskussion. Seit Jahren hatte ich an anderen Stellen geführt. Wurde jetzt deutlich, dass ich gar nicht leiten konnte? Alles nur Show? Nun erkennen die anderen, dass ich bloß aus Fassade bestehe! Ich war an einer Urangst des Mannes angekommen, irgendwann ist klar: „Du bist nur ein Schauspieler, ein Poser, mehr Schein als Sein.“ Zum anderen kam eine ebenso einfache wie ernüchternde Erkenntnis zu Tage: Ich kämpfte mit verletztem Stolz. Sollte ich nicht in der Lage sein, in der Firma Menschen zu führen? Wenn „die in der Firma“ nicht sehen wollten, was ich kann, „dann gehe ich eben und suche mir Leute, die meine Fähigkeiten zu schätzen wissen!“ Ist verletzter Stolz ein guter Grund, aufzugeben und viel Gutes zurückzulassen? Brauchte mein Ego den Chefsessel?

Ende 2012 kristallisierte sich endlich die Entscheidung heraus: Ich bleibe! Ich „brauche“ es nicht, im Job eine Führungsposition zu haben. Zu viel Kostbares würde ich opfern, wenn ich ginge. Gott sprach in dieser Zeit viel über meine Identität. Dass ich vergessen hatte, wer ich bin und was wirklich zählt. Dass er mich bewusst geschaffen und in diese Zeit gesetzt hat. Dass er mir Stärke gegeben hat. Und dass ich einen Auftrag habe.

DANKBARKEIT BLEIBT

Im Rückblick erkenne ich, dass es gut war, zu bleiben. Meine Fachaufgaben wandeln sich. Sie machen mir Spaß. Zudem empfinde ich es als große Erleichterung, nicht mehr den Druck der Führungskraft zu spüren. Ich schlafe wieder gut. Und auch die Magenschmerzen sind weg. Noch etwas empfinde ich: Dankbarkeit, dass ein anderer erkannt hat, dass ich der Aufgabe nicht gewachsen war. Das war der erste Anstoß für einen wichtigen Prozess und Auslöser für gute Fragen, denen ich mich stellen musste. Hätte er nicht die Notbremse gezogen – ich weiß nicht, wie lange ich noch gebraucht hätte, um meine Überforderung zu erkennen. Was bis dahin alles auf der Strecke geblieben wäre, kann ich nicht ermessen. Vielleicht kommt noch eine Zeit als Führungskraft. Aber wenn nicht, auch gut. Auch ohne sichtbare Karriere führe ich ein großartiges Leben, gefüllt mit Ehe, Familie, Arbeit und privatem Engagement. Auch diese Dinge fordern mich heraus und erfüllen mich. Und zuletzt: Über allem steht meine Identität. Die kann mir nichts und niemand nehmen. Sie hängt nicht an Leistung und Position, sondern an Gottes Bild von mir. Dieses Bild bleibt, auch wenn alle Abteilungen der Welt aufgelöst werden.

Jan-Hendrik Krause ist Informatiker und lebt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in Lübeck. Er gehört zum Leitungsteam von FreeatHeart Deutschland (www.freeatheart.de).

 

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JAHR DER DANKBARKEIT
Die überkonfessionelle Initiative „Jahr der Dankbarkeit“ will lebensbejahende, geistliche und ermutigende Akzente setzen gegen Gleichgültigkeit und das alltägliche Vergessen (www.jahr-der-dankbarkeit.net).