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»Und führe uns nicht in Versuchung …

Auch wer glücklich verheiratet ist, kann eine Frau treffen, die ihn sofort fasziniert. Dann kommt es darauf an, kühlen Kopf zu bewahren und sich klarzumachen, was auf dem Spiel steht. Unser Autor, der anonym bleiben möchte, hat genau das erlebt.

Ich bin aufgeregt wie ein Pennäler vor dem ersten Date. Dabei kenne ich sie gar nicht. Wir hatten vor ein paar Jahren beruflich miteinander zu tun, seither haben wir zwei- oder dreimal telefoniert. Schon lange wollten wir uns treffen, jetzt konnte ich es auf einer Geschäftsreise einbauen.

GELEGENHEITSBEGEGNUNG AUF EINER DIENSTREISE
Ich erinnere mich an unser erstes Telefongespräch im Spätherbst. Während wir redeten, wich draußen die Dämmerung der Nacht. Ich saß im Halbdunkel und spürte eine tiefe Verbundenheit – trotz der Entfernung und obwohl ich zum ersten Mal mit ihr sprach. Plötzlich ging es auch um ganz private Dinge. Wir verabredeten uns auf ein nächstes Telefonat, zu dem es allerdings erst zwei Jahre später kam. Auch hier plötzlich ein tiefes Verstehen. Und mein spontaner Wunsch, sie einmal persönlich zu treffen. Klar, ich bin schon lange verheiratet, wir haben Kinder und unsere Ehe ist wirklich sehr innig. Wir teilen auch im stressigen Alltag viel Zeit miteinander, reden mehr als die meisten Paare um uns herum. Auch sexuell läuft es ganz gut.
Warum will ich mich dann mit dieser anderen Frau treffen? Ich weiß, sie ist Single, etwas jünger als ich. Ist sie attraktiv? Ich kenne nur ein Foto aus dem Internet – und ihre Stimme. Eine sehr angenehme, dunkle Stimme. Nicht direkt erotisch, aber irgendwie beruhigend.
Also durchaus gefährlich, dessen bin ich mir bewusst. Aber ich bin neugierig. Ich lerne gerne andere Menschen kennen, vor allem solche, die in einer ganz anderen Umgebung leben als ich. Ich frage gerne und habe dabei schon viel gelernt.
Jetzt stehe ich also im Hotelbadezimmer vor dem Spiegel und schaue mich prüfend an. Für mein Alter sehe ich noch ganz ordentlich aus. Ich sollte zum Frisör, und die Ringe unter den Augen waren auch schon weniger. Dann ruft der Portier an, eine junge Dame warte auf mich.
Sie sieht genauso aus wie auf dem Bild. Ich bitte sie, kurz im Licht stehenzubleiben, damit ich sie anschauen kann. Ein Kompliment, „Sie sehen aus wie auf dem Foto – nur jünger“, geht mir leicht über die Lippen. Sie errötet. Schon im Auto – sie hat in einem kleinen Restaurant etwas weiter weg reserviert – biete ich ihr das „du“ an. Sie ist erleichtert. Es fühle sich an, sagt sie, als träfe sie einen alten Freund.
Unsere Zuneigung ist also gegenseitig. Klar, sonst hätte sie einem Treffen ja nicht zugestimmt. Der Abend ist sehr bereichernd. Wir reden, als würden wir uns schon ewig kennen, hätten uns aber Jahrzehnte nicht gesehen. Haben wir uns in einem früheren Leben schon mal getroffen? Sie glaubt an die Reinkarnation, und ich halte den Gedanken nicht für abwegig.

EIN ERKÄMPFTES NEIN
„Unsere Zeit ist so kostbar, möchtest du noch zu mir kommen?“ Ihre Frage, als sie mich zum Hotel zurückfährt, macht mich kurz schwindelig. Aber ich bin wirklich müde, und es ist mir einfach zu gefährlich, mit einer fremden Frau nach Hause zu gehen. Ich lehne dankend ab und bin froh, kurz nach Mitternacht im Hotelzimmer zu sein. War die Abschiedsumarmung zu lange? Wir könnten ja zusammen frühstücken …
Um kurz nach eins kommt eine Kurznachricht: Mit Frühstück sieht es schlecht aus, alle Cafés öffnen zu spät. Ich sehe die Nachricht erst am Morgen, als ich aufstehe. Dann lassen wir es, schreibe ich zurück. Ich habe einen vollen Tag vor mir, und Hektik nach einem so schönen Abend will ich nicht. Noch während ich frühstücke, kommt die Nachricht, dass sie mich noch zum Bahnhof begleiten will. Eine halbe Stunde bleibt uns, wir schlendern durch die Stadt, und ich fühle mich reich beschenkt.
Zu Hause erzähle ich meinem besten Freund von der Begegnung. Er schaut mich an. „Deine Gedanken sind wohl gerade oft bei ihr, oder?“ Ja, das sind sie. Vor allem nach dem Telefonat ein paar Tage später, wo sie als erstes sagte: „Es ist schön, deine Stimme zu hören.“ Da ist er wieder, der Schauer über meinem Rücken. Das geht ein paar Tage so, in denen ich jede Mail und jede Kurznachricht von ihr hundert Mal lese. Obwohl ich weiß, dass das nicht gut ist. Auch wenn ich mir immer wieder einrede, da sei doch nichts außer Sympathie. Männer sind ja ziemlich gut darin, sich die Wirklichkeit zurechtzubiegen. Aber tief in mir drinnen weiß ich genau, wie gefährlich dieses Spiel ist.
Ich werde immer unruhiger. Doch dann treffe ich eine Entscheidung: Ich will nicht untreu sein. Schon gar nicht in Gedanken. Ich will nicht so viele Ehejahre und das Vertrauen in mich in die Tonne treten. Ich breche den privaten Kontakt zu dieser Frau ab – auch wenn es schmerzt, und auch wenn wir beruflich weiter miteinander zu tun haben werden. Mit meiner Frau muss ich das noch bereden. Falls der Durchhaltewillen nicht ausreicht, werde ich mir Hilfe holen bei Männern, die solche Versuchungen kennen. Davon kenne ich eine ganze Menge. Und ich werde das „Vaterunser“ noch bewusster beten: „Und führe uns nicht in Versuchung …“

N.N. (Der Name des Autors ist der Redaktion bekannt)

 

Damit der Trott nicht scheidet

Gelingende Beziehungen fallen nicht vom Himmel, sondern müssen erkämpft werden. Gerade auch von Männern. MOVO im Gespräch mit dem Paarberater Bernhard Kuhl.

Wann landen Paare bei Ihnen auf dem Sofa?
Ein Sofa kann ich nicht bieten. Meistens ist den Paaren auch nicht nach gemütlicher Runde zumute. Oft sind sie mit ihren Gedanken oder konkreten Schritten schon aus der Partnerschaft ausgebrochen. Da sind zwei Stühle, die man auseinanderrücken kann, schon besser.

Von wem geht in der Regel die Initiative für einen Besuch bei Ihnen aus?
Von dem, der in der Krise immer noch einen Funken Hoffnung hat. Bei „kleineren“ Konflikten sind das tendenziell eher die Frauen, wenn es um „alles oder nichts“ geht, versuchen manchmal auch die Männer zu retten, was häufig nicht Gelingende Beziehungen fallen nicht vom Himmel, sondern müssen erkämpft werden. Gerade auch von Männern. MOVO im Gespräch mit dem Paarberater Bernhard Kuhl. mehr zu retten ist. Sie kapieren oft erst zu spät, dass man was tun sollte.

Was sind Ihrer Erfahrung nach Gründe für die Beziehungskrisen?
Es hat immer etwas mit Kommunikation zu tun. Reden, Hören, Interpretieren, … Da sind die Fallen schon gelegt. Dann sind natürlich die Persönlichkeitsstrukturen oder auch die familiären Hintergründe ein Grund für die Anfälligkeit einer Beziehung. Nicht jeder hat z. B. gelernt, mit Konflikten umzugehen oder die Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen.

Was empfehlen Sie Paaren, damit sie nicht erst bei Ihnen auf zwei Stühlen landen?
Gute und ehrliche Gesprächspartner suchen, mit denen man ganz normal über dies und jenes in der Beziehung reden kann. Davon ausgehen, dass Missverständnisse und daraus resultierende Konflikte normal sind. Ab und zu mal ein Eheseminar besuchen, um in die Beziehung zu investieren. Sich in ein gemeinsames Projekt investieren.

Gibt es so etwas wie einen typischen blinden Fleck bei uns Männern?
Viele Männer haben ausgeprägte Abwehrtendenzen. Entweder sie leugnen ein aufkommendes Problem ganz oder sie verharmlosen es. Und wenn sie es endlich akzeptiert haben, scheint für gelingende Beziehungsarbeit die Frau verantwortlich. Viele Männer reduzieren eine gelingende Beziehung auf „guten“ Sex. Wenn sie an dieser Stelle zufrieden sind, dann sind sie eher passiv.

Was würden Sie den Männern nach mehr als 20 Jahren Beratungsarbeit gerne mal um die Ohren hauen?
Kapiert endlich, dass ihr als scheinbar sachbetonte Spezies mehr von euren Gefühlen bestimmt seid, als ihr meint! Geht diesen Gefühlen auf die Spur und lernt schätzen, was außer scheinbarer „Coolness“ oder Sachlichkeit noch in euch steckt.

Warum würden Sie sagen: Es lohnt sich, füreinander zu kämpfen, sich zusammenzuraufen?
Es ist ein großer Fehler, zu glauben, dass in einer neuen Beziehung alles besser läuft. Auch deren Gelingen ist mit Arbeit verbunden. Meistens lassen sich Konflikte auflösen und auch in der alten Beziehung neue und gute Wege erlernen. Wenn Kinder „im Spiel“ sind, lohnt es sich allemal. Sie leiden immer mit.

Trotz des guten Willens gehen auch Ehen unter Christen in die Brüche. Gibt es für Sie ein „gutes Scheitern?“
Es gibt Konstellationen, die sind so destruktiv, dass es sinnlos ist, immer weiter zu kämpfen. Dieses Scheitern dann aber als „gut“ zu bezeichnen, fällt mir schwer. Es bleibt notvoll. Gut ist dann höchstens, dass das gemeinsame Leiden ein Ende hat.

Gehen Männer mit dem Scheitern anders um als Frauen?
Männer haben die Tendenz, sich schnell mit einer neuen Frau zu trösten (wenn dieser „Trost“ nicht schon der Grund des Scheiterns war). Frauen wirken oft stärker, versuchen die neue Herausforderung kraftvoller anzunehmen. Die Gefühle (auch die der Männer) sind dabei so vielfältig wie die Menschen. Trauer, Wut, Verzweiflung, Antriebslosigkeit – die Gefühlspalette ist vielfältig und nicht vorhersehbar. Wobei die Kompensationen meist unterschiedlich sind: Männer lenken sich eher ab und suchen schnell emotionalen Trost bei einer anderen Frau oder in der Sucht, anstatt auf ihren Anteil im Konflikt zu sehen. Frauen sind meist „stark“, packen das Leben (oft alleine mit den Kindern) mutig an. Hier hilft ihnen, dass sie oft schon vorher mit Freundinnen im Gespräch waren und ihre Emotionen eher benennen können.

Führt der „zweite Frühling“, die zweite große Liebe, wirklich ins Glück?
Manchmal ja. Das hängt immer vom durchgestandenen Prozess ab und von der Verarbeitung. Deshalb sollte man nach einer Trennung gut bearbeitet haben, welche eigenen Anteile zum Konflikt geführt haben. Sehr oft aber wiederholt sich das, was in der ersten Beziehung schon schieflief. Auch zweite und dritte Beziehungen zerbrechen häufig.

Was raten Sie Männern vor dem Start in eine neue Beziehung?
Das Scheitern sollte bearbeitet werden, indem man mit einem Therapeuten, Coach oder Seelsorger die „Knackpunkte“ der ersten Beziehung angeschaut und Stolperfallen erkannt hat.

Wie wird die neue Partnerin nicht zum Trostpflaster?
Indem ich aus der Opferrolle herausgehe. Dies fängt mit der nötigen Selbsterkenntnis an, dass auch ich meine Anteile am Scheitern hatte. Wenn „die anderen“ schuld an meiner Lage sind, dann suche ich auch bei „anderen“ meine Rettung. Als Opfer suche ich Trost, als Teil des Problems packe ich meine Konfliktanteile an. Wobei das mit dem Trost so eine Sache ist. Wenn Gott sagt, dass er uns trösten will, wie einen seine Mutter tröstet, dann gibt es ja eine Stelle, an der wir mit unserem Bedürfnis nach Trost sehr ernst genommen werden.

Wie kommt man seinen blinden Flecken auf die Spur, wie übt man neue Verhaltensweisen ein, wie wird die neue Beziehung nicht nur eine Fortsetzung des alten Musters?
Indem man sich zu öffnen lernt. Blinde Flecken entdecken in der Regel nur die anderen. Wenn diese mir liebevoll gespiegelt werden, dann kann ich beschließen, neue Dinge zu tun oder alte nicht mehr zu tun. Ohne einen Coach, Mentor oder Seelsorger an der Seite gelingt das nur schwer.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang Vergebung?
Vergebung ist immer gut. Es reinigt die Seele, wenn man loslassen kann, was man als Schuldvorwurf dem anderen gegenüber in der Hand zu halten meint. Das Recht auf Vergeltung mag zwar im ersten Moment ein Gefühl der Überlegenheit erzeugen, aber es bindet mich an negative Erfahrungen. Deshalb sollte der Moment kommen, in dem ich das Versagen des anderen freigebe und mich von der negativen Bindung daran lossage.

Welche Rolle spielt für Sie der christliche Glaube im Zusammenhang von Scheitern und Neuanfang?
Vergebung ist zwar auch im säkularen Bereich ein hilfreiches Therapeutikum, es ist aber gerade für Christen mit einer enormen Kraft untermauert. Gott will unser „gutes Recht“ in seine Hand nehmen. Er ist der gerechte Richter. Insofern gebe ich nicht nur etwas ab, sondern ich gebe es an jemanden ab. Der ist auch im Scheitern bei mir. Das schafft ungeahnte, neue Perspektiven nach vorne.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Bernhard Kuhl (60) ist Lebens- und Eheberater (DAJEB), Mediator und Leiter der Beratungsstelle FREIRAUM (www. freiraum-muecke.de) in Mücke bei Gießen. Er ist verheiratet mit Doris, Vater von drei erwachsenen Kindern und Großvater von einem Enkel.