Hey Boss, ich brauch mehr Geld!

Gehaltsgespräche erfolgreich angehen. Nachgefragt bei Jochen Mai.

 

Wann ist der beste Zeitpunkt, um dem Chef die Bitte um eine Gehaltserhöhung unter die Nase zu reiben?
Kurz vor dem Abschluss eines erfolgreichen Projektes oder beim Jahres- oder Mitarbeitergespräch. Allein mit dem Satz „Hey Boss, ich brauch mehr Geld!“ kommen Sie nicht weit. Nutzen Sie den taktischen Moment.

Was ist für Sie Gehalt?
Gehalt ist der Gegenwert meiner Arbeitsleistung. Ich tausche Arbeit gegen Geld, das ist die Grundregel für eine Gehaltserhöhung. Sprechen Sie lieber von Gehaltsanpassung statt von Gehaltserhöhung.

Warum?
Das mag kleinlich klingen, kann aber einen wesentlichen Unterschied machen. Eine Gehaltserhöhung klingt latent nach „mehr Geld bezahlen“ – nach einer Erhöhung ohne Grund. Bei der Gehaltsanpassung schwingt mit, dass etwas bisher nicht korrekt war und deshalb angepasst werden sollte, und dafür gibt es einen Grund.

Warum tut Mann sich mit der Forderung nach mehr Geld so schwer?
Meine Erfahrung ist: Dies ist kein spezifisches Männer-Frauen-Thema. Es ist Männern und Frauen peinlich, für sich selbst einzutreten. Ihnen ist nicht bewusst, wie viel sie ihrem Chef, ihrem Arbeitgeber wert sind. Der Arbeitgeber ist nicht die Arbeiterwohlfahrt. Wenn ich also mehr Leistung bringe, einen Mehrwert erschaffe, kann ich auch mehr Geld verlangen.

Die folgenden Sätze sollte man Ihrer Überzeugung nach beim Gesprächseinstieg vermeiden: »Es ist mir eigentlich unangenehm, aber …«
Klingt wie die Position eines Bittstellers und schränkt daher ein. Der Satz drückt aus: Ich bin mir eigentlich nicht sicher, ob ich einen Anspruch darauf habe. Das ist ein völlig falscher Ansatz. Bitte unbedingt selbstbewusster auftreten und vorher seine Hausaufgaben machen. Es muss eigentlich dem Chef unangenehm sein, dass er nicht schon längst selbst auf die Idee der Gehaltsanpassung gekommen ist.

»Ich könnte mir so um die 100 Euro vorstellen …«
Viel zu ungenau. „Um die“ ist keine konkrete Zahl. Psychologisch ist es gut, eine konkrete Zahl zu nennen.

»Ich brauche …«
Nochmal: Das Unternehmen ist nicht die Arbeiterwohlfahrt. Die gestiegenen Kinderbetreuungskosten und die Raten fürs Haus sind nicht die Probleme Ihres Arbeitgebers. Sie werden nicht dafür bezahlt, dass Sie ein besseres Leben führen, sondern für Ihre geleistete Arbeit. Sagen Sie besser: Ich habe dies geleistet, werde dies oder jenes in Zukunft tun, daher fände ich es gut, wenn ich Summe X bekäme.

Angenommen, der Chef macht mir überraschenderweise sofort ein gutes Angebot …
Im Zweifelsfall ist da noch mehr drin. Hier spielt der Chef vielleicht auch mit dem Ankereffekt und versucht, Sie einzulullen. Unbedingt weiter verhandeln.

Wie reagiere ich, wenn mich das Angebot ärgert?
Gar nicht ärgern lassen. Gegenvorschlag machen. Gezielt nachhaken. Hart verhandeln. Eine Verhandlung darf man nicht persönlich nehmen. Wenn der Chef ein schlechtes Angebot macht, darf man sich davon nicht gefangen nehmen lassen. Einen klaren und kühlen Kopf bewahren und seine Forderung wiederholen.

Ist der Einwand »Woanders verdiene ich mehr« ein gutes Argument?
Auf keinen Fall. Das führt in eine Sackgasse. Das ist eine Tür, durch die man schlecht zurück kann. Besser wäre es, wenn Sie eine Marktrecherche machen. Was verdienen Menschen in meinem Beruf, meiner Position, meiner Qualifikation in dieser Region in Unternehmen ähnlicher Größe? Damit haben Sie handfeste Argumente in der Hand.

Wie reagiere ich, wenn der Chef schweigt?
Zurückschweigen! Lassen Sie sich bloß nicht zum Labern verführen. Gute Fragen stellen wie: Sehen Sie das anders? Wenn ja, warum?

Wie sieht ein Gewinn für beide Seiten aus?
Ganz klar: Der Chef hat einen zufriedenen Mitarbeiter, der mehr Leistungen bringt, und der Mitarbeiter ist mit seinem Gehalt zufrieden. Gute Verhandlungen laufen immer auf einen Kompromiss hinaus.

Sie haben mich überzeugt, ich schicke morgen meine Frau. Wie schaffe ich den ersten Schritt?
(lacht) Am besten die Eltern schicken. (lacht) Nein! Machen Sie Ihre Hausaufgaben, d. h. notieren Sie die Punkte, die für eine Gehaltserhöhung sprechen. Eine gute Vorbereitung ist das A und O. Dann vereinbaren Sie einen Termin mit dem Chef. Über das Gehalt verhandelt man nicht auf dem Flur.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

 

Rüdiger Jope

 

KARRIEREBIBEL
Der Kommunikationsberater, Autor und Blogger Jochen Mai leitete mehr als zehn Jahre das Ressort »Management + Erfolg« bei der WirtschaftsWoche und fungierte danach einige Jahre als Social Media Manager in der Wirtschaft. Bekannt wurde Mai vor allem als Gründer und Herausgeber von Karrierebibel.de, einem der renommiertesten deutschen Job- und Karriereportale mit rund 3 Millionen Lesern im Monat. Mai ist unter anderem Dozent an der Technischen Hochschule Köln, der Deutschen Presseakademie Berlin und der Zeppelin Universität Friedrichshafen sowie Experte für Content Marketing, Social Media Marketing und Spezialist bei der Entwicklung von Corporate Blogs. Als Keynote-Speaker spricht er regelmäßig auf Fachmessen, Kongressen und Firmenevents.

Die Qual der Wahl

SERIE: POLITIKBETRIEB VON INNEN

Beobachtungen zur US-Wahl von Uwe Heimowski.

Trump, Trump, Trump – eine knappe Woche nach der US-Präsidentenwahl vom 9. November 2016 gehören drei von vier Schlagzeilen Donald Trump. Muss ich mich da auch noch äußern? Nun, wenn man eine Kolumne über den Politikbetrieb schreibt, kann man den Kopf nicht in den Sand stecken. Daher (auch) von meiner Seite ein paar Beobachtungen zum politischen Geschehen dieser Tage.

DEMOKRATISCHE WAHL ODER GLAUBENSBEKENNTNIS?
Selten hatte man bei Wahlen den Eindruck, dass die Positionen so früh so feststanden. Da ging es irgendwie nicht mehr um Meinungsbildung, nicht mehr um das Abwägen von Argumenten, sondern um ein Bekenntnis: Für oder gegen Donald Trump, für oder gegen Hillary Clinton. In Deutschland war für eine überwältigende Mehrheit klar: Trump geht gar nicht! Für die meisten meiner amerikanischen (und übrigens auch russischen) Freunde war das Gegenteil in Stein gemeißelt: No Hillary! In vielen Gesprächen habe ich versucht, zu kitzeln, den Advocatus Diaboli zu spielen, Argumente herauszulocken – es ist mir selten, sehr selten gelungen. Die Meinungen standen fest, dogmatisch wie ein Glaubensbekenntnis. Mehr noch: Ich erntete ziemlichen Gegenwind von der einen wie auch der anderen Seite, wenn ich ein paar kritische Fragen zu ihrem Favoriten stellte. Die jeweils neuesten Enthüllungen änderten wenig bis gar nichts, sie waren einfach neue Munition für das, was vorher schon feststand. Weder der sexistische „locker room trash“ Donald Trumps noch die Enthüllungen um Clintonsche Zusatzeinkünfte scheinen das eigene Lager beeindruckt zu haben. Was passiert da gerade? Brillant aufgelöste HD-Screens bringen uns zehntausende Farben in die Wohnzimmer. Die Bilder dagegen, die wir uns selber machen, werden zunehmend schwarz-weiß. Übrigens nicht nur in der Politik.

WELTUNTERGANG ODER LEGISLATURPERIODE?
In der Euphorie der 1990er-Jahre wurde „das Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama) verkündet. Friedrich Hegel hatte unser westliches Geschichtsbild viele Jahrzehnte geprägt. These und Gegenthese, oder politisch gesprochen: Macht und Gegenmacht führen zum Ausgleich und damit (auch im Konflikt) irgendwann notwendig zu einer Synthese. Die beiden Blöcke des Kalten Krieges waren diese Antagonisten, und nun sei das System überwunden, eine neue Zeitrechnung breche an, hieß es, eine Zeitrechnung ohne Kriege. Diese Euphorie ist lange verflogen. Heute scheint mir eine ähnliche Dynamik zu herrschen. Nur andersherum: Hysterie statt Euphorie, Frust statt Faszination, Angst statt Aufbruch. Als stehe das Ende der Welt vor der Tür. Zum Menetekel wurde sogar das Datum stilisiert: Auf „nine eleven“ folge nun mit „eleven nine“ die nächste Katastrophe. Strukturell liegt beides nicht weit auseinander. Optimisten und Pessimisten meinen beide, die Welt ein für alle Mal erklären zu können. Aber so funktioniert das Leben nicht. Es richtet sich nicht nach unseren Modellen, nicht nach unserer Begeisterung und nicht nach unserer Angst. Die Welt will täglich gestaltet sein. Barack Obama hat es auf den Punkt gebracht mit seinem Kommentar: „Egal was passiert, morgen wird die Sonne aufgehen.“ Das könnte man als Zynismus missdeuten. Oder man kann die positive Kraft begreifen, die in dieser – vermeintlich banalen – Aussage steckt: Ein neuer Tag ist eine neue Chance. In einer Demokratie gilt noch dazu: Legislaturperioden sind begrenzt. Eine Partei und ihre Kandidaten müssen sich erneut zur Wahl stellen. Nichts ist für immer. Schade manchmal, beruhigend meistens.

RESIGNATION ODER VERANTWORTUNG?
Hunderttausende Menschen gingen in den Tagen nach der Wahl auf die Straße, sie demonstrierten gegen Trump mit dem Slogan: „Not my president!“ Ähnlich waren die Reaktionen vieler Briten auf den Brexit. Manchmal braucht die Enttäuschung ein Ventil. Das ist verständlich. Es ist legitim – und in einer Demokratie auch erlaubt. Doch mit Demos alleine erreicht man keine dauerhafte Veränderung. Wer verändern will, übernimmt Verantwortung und zeigt einen langen Atem. Die „68er“ nannten das „den Marsch durch die Institutionen“. Wen die rassistischen Sprüche Trumps getroffen haben, der sollte sich aktiv für Migranten engagieren. Wer den politischen Filz der Clintons kritisiert, der sollte sich für Transparenz einsetzen und mit gutem Vorbild vorangehen, indem er sich eine eigene, unabhängige Meinung bildet. Wen der Brexit schockiert, der muss aktiv europäisch denken und handeln. Wer das politische Klima in Deutschland kritisiert, der sollte sich einer Partei anschließen und mitarbeiten. Das Schlimmste, was einer Demokratie passieren kann, ist, dass die Menschen resignieren und nicht mehr aktiv mitgestalten. In den USA las ich diesen kleinen Dialog: „Which party do you vote – democrats or republicans?“ „Cocktail Party.“ So wahr. Aber so wenig hilfreich. Vogel Strauß geht nicht. Wir überlassen das Feld den Falschen. Wenn es für mich eine Erkenntnis aus der US-Wahl gibt, dann diese: Machen wir mit! PS: Wen ich gewählt hätte? Zum Glück musste ich nicht wählen. Bleibt nur zu hoffen, dass 2017 nicht Dieter Bohlen antritt …

 

Uwe Heimowski (52) ist ehrenamtlicher Stadtrat in Gera. Er ist verheiratet mit Christine und Vater von fünf Kindern. Seit dem 1. Oktober 2016 arbeitet er als Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz beim Deutschen Bundestag in Berlin.

 

Was denken Sie? Stimmen Sie dem Autor zu? Wo würden Sie ihm wider-sprechen? Diskutieren Sie mit unter www.MOVO.net.

Mutig Aufstehen

Andi Weiss besingt in seinem neuesten Album »Laufen Lernen« das Männerleben zwischen Wiege und Bahre. Grund genug, sich mit diesem Poeten einmal in einem Münchner Café zum Plaudern zu treffen.

Heute schon gelaufen?
(lacht) Ja, heute Mittag. Unser Söhnchen fand nicht in den Schlaf. Da habe ich ihn in den Wagen gepackt und 38 Mal ums Haus geschoben. Da spart man sich das Fitnessstudio.

Warum fordern Sie als jemand in der Lebensmitte Menschen auf, laufen zu lernen?
Vor zwei Jahren bin ich Vater geworden. Dabei entdeckte ich: Nicht nur Kinder, sondern auch Eltern müssen laufen lernen. Da erschließt sich einem ein ganz neues Universum. Das Leben fordert uns heraus, immer wieder ins Laufen zu kommen. Es gilt, neue Wegstrecken unter die Füße zu nehmen, sich neue Ziele zu setzen, sich bewusst zu sagen: Diesen Weg bin ich jetzt 38 Mal gelaufen, jetzt wird es aber Zeit, sich diese Strecke aus einer neuen Perspektive anzuschauen, oder aber einen anderen Weg einzuschlagen, um sich wieder herauszufordern.

Und warum tun wir Männer es dann nicht?
Weil uns Bequemlichkeit und Angst in die Quere kommen.

Mit dem Laufen verbinden viele Schweiß, Muskelkater, Atemlosigkeit. Sie gewinnen dem Laufen offensichtlich etwas Positives ab?
Ähm. Nächste Frage, bitte. Ein Freund von mir, der weiß, wie viel Sport ich treibe, sagte mir: Andi, der Titel der CD ist unglaubwürdig. (lacht herzhaft) Ehrlich: Ich bin nicht der sportliche Schwitzer. Mich interessiert aber der Lebensschweiß. Mir liegen Menschen am Herzen, die sich im Leben schon einmal eine blutige Nase geholt haben oder abends fix und fertig nach Hause kommen.

Ihre CD ist daher nicht nur ein Genuss für sportliche Männer?
Definitiv nicht.

Wie ein roter Faden zieht sich durch die Scheibe das Motto „Aufstehen nach dem Hinfallen“. Was wollen Sie damit ausdrücken?
Ich schreibe Lieder aus meinem Lebenskontext. Ich bin Familienvater, Ehemann, Vater, Freund, Nachbar, Diakon, Logotherapeut,… Und in diesem Sein scheitert man eben auch. Wir brauchen auch unter Männern, in unseren Beziehungen und in unseren Gemeinden eine Kultur des Scheiterns.

Sollen wir mehr zu unseren Schwächen und Fehlern stehen?
(leidenschaftlich) Unbedingt! Wir frönen nicht selten einer geistlichen Olympiade: „Mein Haus, mein Auto, mein Garten… Das bin ich, das kann ich, das habe ich erreicht, das ist meine Gebetserhörung.“ Gerade wir Männer sind großartig in dieser Disziplin. Und genau darin müssen wir fröhlich umdenken lernen: „Hey, es gehört auch zum Leben, dass ich Brüche und Wunden habe, dass ich begrenzt bin.“ Papst Franziskus sagt: Die Kirche soll ein Lazarett sein. Damit drückt er aus: Das Scheitern und Hinfallen gehört zum Leben, auch von uns Männern.

Sie singen in einem Refrain „Ich bring dich durch den Sturm“. Welche Botschaft verbirgt sich für Männer (und Frauen) dahinter, denen sprichwörtlich das Wasser bis zum Hals steht, deren Lebensboot am Absaufen ist?
Ein Mann kam zu mir und packte ehrlich aus, wie es um ihn steht. Er sagte: „Im Beruf, in der Familie, überall muss ich der starke Mann sein, aber keiner merkt, wie es um mich herum und in mir stürmt. Aus Stolz gegenüber meiner Frau, meiner Gemeinde, meinen Freunden und aus Angst, als Schwächling dazustehen, erzähle ich niemandem von den Wellen, die mich zu überspülen drohen.“ Genau aus diesem Grund liegt all meinen Liedern die Wahrheit aus Psalm 23 zugrunde: Und ob ich schon wanderte durchs dunkle Tal, du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich.

Das habe ich vor 35 Jahren im Konfirmandenunterricht auch schon gehört …
Es mag billig klingen, weil es inzwischen auf jeder dritten Sonnenuntergangskarte steht, aber wenn wir über den Glauben reden und diesen Trost ins Spiel bringen, haben wir alles über unseren Glauben gesagt. Gottes Gegenwart zeigt sich nicht in der Gesundheit, im eigenen Häuschen, in dem ich 38 Kinder mit biblischen Vornamen habe und zwanzig Jobs in der Gemeinde ausfülle, sondern darin, dass ich nicht allein bin in den Dunkelheiten des Lebens.

Haben Sie eine Lieblingsstelle in der Bibel, in der es ums Laufen geht?
Ja, Philipper 3,12-14. Als Logotherapeut ist es mir wichtig, nicht nur nach vorne zu schauen. Um mich zu verstehen, muss ich wissen, woher ich komme, was mich geprägt hat. Biografiearbeit ist wichtig, aber es gibt eben auch den Moment in der Begleitung und im Leben, wo es heißt: Jetzt gilt, nicht mehr zurückzuschauen, sondern zum Gestalter des eigenen Lebens zu werden. Männer sollten nach dem Scheitern mutig aufstehen.

Ihre Botschaft an die, die sich noch nicht aufraffen können?
Hab keine Angst vor Menschen und vor Gott. Liebe dich selbst und gehe Risiken ein.

Warum sollte ein Mann nicht allein laufen?
(stöhnt) Der Mann, der einsame Wolf. Das ist so ein typisches, aber eben auch trauriges und wahres Bild. Ich habe viele gute Freunde, die mir alle sagen: Eigentlich bin ich Einzelgänger. Obwohl ich viele Freunde habe, erlebe ich mich auch als Einzelgänger. Ich habe eine klasse Frau, die zugleich meine beste Freundin ist. Trotzdem scheint es typisch männlich zu sein, dass man denkt, du bekommst dies auch ohne Nachfragen und Navigation allein auf die Reihe. Wir Männer brauchen jemanden, der uns liebevoll und zugleich kritisch zurückmeldet, wo der Hammer hängt. Wir brauchen Menschen, die uns hinterfragen, alles andere ist billig. Ehrliche Männer und Frauen sind Gold wert, wenn man laufen lernen will.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

 

Rüdiger Jope

 

Mehr zu Andi Weiss und seinen Tourneedaten 2017 unter: www.andi-weiss.de

REPOWERING

Wenn Windkraftanlagen etwas übers Männerleben erzählen

Das Thema Windkraft fasziniert mich. Und es verfolgt mich – es begegnet mir in meinem Leben immer wieder auf verschiedenen Ebenen. Mein erster Kontakt mit Windkraft war ganz handgreiflich: Während meiner Zivildienstzeit, die ich am Dü-nenhof in der Nähe von Cuxhaven verbracht habe, wurde dort auf dem Gelände des Freizeitheims eine Windkraftanlage errichtet. Zunächst war da einfach die Begeisterung für so eine Baustelle mit einem Schwertransport ins unwegsame Gelände und einem Mobilkran, dessen Fahrer mit filigraner Steuerkunst zunächst die Stahlröhren des Turmes punktgenau aufeinandersetzte. Anschließend wurde in 30 Metern Höhe die Gondel montiert und zum Schluss kam das „Fummeligste“: Die Rotorblätter mussten an der Nabe befestigt werden – auch das gelang, obwohl während der Montage ein ordentlicher Wind wehte. Aus heutiger Sicht ist die Anlage ein Zwerg, aber 1991 war es schon eines der größeren Modelle auf dem Markt: Nabenhöhe 30 Meter, Rotorblätter mit 12 Metern Länge und ein 150-kW-Generator, der die Strommenge für mindestens 100 Haushalte erzeugte. Nur so zum Vergleich: Eine der aktuell größten serienmäßig hergestellten Onshore-WKA’s hat eine Nennleistung von 7600 kW, eine Nabenhöhe von 135 Metern und einen Rotordurchmesser von 127 Metern, sodass die Rotorspitzen bis 198,5 Meter in die Höhe ragen – gigantisch!

IM WIND STEHEN
Ich war und bin beeindruckt von der vergleichsweise simplen Form der Stromerzeugung und verfolgte mit, wie die Anlage am Dünenhof durch ihren windexponierten Standort zu einer der Anlagen mit der größten Stromausbeute ihres Typs wurde. Auch die Ästhetik und Eleganz der schlanken Architektur und der drei gleichmäßig kreisenden Rotorblätter trugen mit zu meiner Faszination bei. Und dann dieses Bild: Die WKA stellt sich in den Wind, sie bietet Angriffsfläche für eine unsichtbare Kraft. Sie lässt sich in Bewegung versetzen, sie erzeugt Energie. Höhe, Kraft, Bewegung, Dynamik, …

Das Bild gewann vor etwa zehn Jahren eine weitere Facette für mich: Ein Freund hatte einen bildlichen Eindruck für mich, bei dem es um eine WKA ging. Ich spürte sofort, dass dies ein Bild und auch eine Zusage für mich war. Leider war es in diesem Bild nicht eine stolze Anlage, die mit ruhig und gleichmäßig drehendem Rotor im Wind steht, sondern sie drehte sich nur langsam, knarzte und stockte. Es waren auch Monteure dort, die an der Anlage mit eher mäßigem Erfolg herumdokterten, aber sie wurden weggeschickt, von einem, der sich der Sache mit viel Zeit und Geduld annahm – und der die Anlage letztlich wieder in Schwung brachte. Das war „mein Bild“, das ich aufschrieb und an das ich mich oft erinnerte, aber ich wusste nicht, ob, wann und wie es in meinem Leben Anwendung finden würde …

DAS LEBEN IST EINE BAUSTELLE
Inzwischen habe ich so eine Ahnung, an welchem Punkt in dem Bild ich mich gerade befinde. Vor einigen Jahren rutschte ich in eine Phase, in der ich mich in meiner Arbeit total „verzettelte“, meiner Familie nicht mehr gerecht wurde, krampfhaft versuchte, es allen recht zu machen, und dadurch alles nur noch schlimmer machte. Ich musste eine Notbremse ziehen, sonst hätte mein Körper die Notbremse gezogen und mich wahrscheinlich mit einem handfesten Burnout eingebremst. Ich verordnete mir eine Auszeit und merkte schnell, dass ich danach nicht einfach auf eigene Faust weitermachen konnte. „Das Leben ist eine Baustelle“, der Titel eines Filmes aus dem Jahr 1997, bringt es gut auf den Punkt. Mein Leben ist eine Baustelle, auch wenn es mir schwerfällt, das zu akzeptieren und mit dieser persönlichen Baustelle richtig umzugehen. Dass es da Dinge zu bearbeiten gibt, war mir ja schon lange klar, aber ich habe lieber ein wenig Flatterband zur Pseudo-Absicherung am Rand der Baustelle befestigt, damit ja keiner die Baustelle betritt und mitbekommt, wie es dort aussieht.

Natürlich wurde dadurch nichts besser und der Sanierungsstau fing an, sich aufzubauen. „Baustelle“, das hatte immer einen negativen Beigeschmack für mich. Dabei sind Baustellen wichtig: Ohne Baustellen gibt es keine Veränderung und Verbesserung. Wichtig ist nur, wie ich mit meiner Baustelle umgehe, ich brauche eine gut geführte Baustelle. Und die Verantwortung für diese Baustelle hat kein anderer als ich selbst. Deshalb will ich lernen, ein guter Bauleiter zu werden. Ein guter Bauleiter muss nicht alles können und wissen, aber er muss die Fähigkeit haben, im richtigen Moment Experten mit der erforderlichen Fachkompetenz ins Boot zu holen. Das kann ganz unterschiedlich aussehen.

Dem einen reicht es, im richtigen Moment in eine gute, tragfähige Männerfreundschaft oder Zweierschaft zu investieren. Anderen mag es wie mir gehen: Für die ist eine Entscheidung für helfende Begleitung in Form von Seelsorge, Coaching oder therapeutischer Beratung dran. Auch eine längere Auszeit, Kur oder Therapie schiebt der eine oder andere vielleicht vor sich her. Wichtig scheint mir, dass wir uns nicht durch unsere inneren Kämpfe, Baustellen, Einsamkeit, Vermeidungsstrategien und Stolpersteine bis in einen Burnout oder in eine psychische Erkrankung treiben lassen. Es gilt, ein guter Bauleiter zu werden und Verantwortung für die eigenen Veränderungsprozesse zu übernehmen. Inzwischen genieße ich es sehr, Teil einer verbindlichen Gruppe von Männern zu sein, sehr intensiven und ehrlichen Austausch über unsere „Baustellen“ zu haben und gemeinsam voranzukommen. Sicher läuft noch nicht alles wie geschmiert, aber bei der knarzenden und schwergängigen WKA aus meinem „Bild“ haben sich doch viele wesentliche Punkte verändert, und sie dreht sich nun ruhiger und gleichmäßiger.

EFFIZIENTER WERDEN
Repowering – dieser Begriff ist gerade ein wichtiges Stichwort in der Windkraft-Szene. Es bedeutet, dass bei älteren bestehenden Anlagen die Turbinen durch leistungsfähigere und effizientere ersetzt werden. In manchen Fällen wird sogar an einem vorhandenen Standort eine alte Anlage komplett rückgebaut und durch eine neue, größere ersetzt. Die aktuellen Turbinen sind so konzipiert, dass sie ruhiger und langsamer laufen und trotzdem effizienter arbeiten. Ich wünsche mir persönliches Repowering, auch wenn das heißt, dass ich an mir arbeiten muss, und dass in einigen Lebensbereichen Dinge ersetzt und erneuert werden müssen – wenn es hinterher ruhiger und effizienter läuft, dann ist es das wert.

Und was ist aus „meiner“ ersten WKA am Dünenhof geworden? Sie hatte im wahrsten Sinne des Wortes einen Burnout: Der Generator ist in Brand geraten und wurde komplett zerstört. Aber auch sie hat ein Repowering erfahren und hat von einer baugleichen Anlage mit geringerer Laufleistung ein neues Turbinenhaus geerbt – und so steht sie weiter als Landmarke im Wind.

 

Jan Schulte arbeitet als selbstständiger Architekt in Lemgo, ist verheiratet mit Sandra, gemeinsam haben sie drei Söhne und einen Hund.

 

Weiterführende Links:
www.live-gemeinschaft.de/fuer-maenner/die-maennerreise/
www.duenenhof.org

Wer verdient, was er verdient?

SERIE: POLITIKBETRIEB VON INNEN

»Die da oben sahnen die fetten Diäten ab. Dem kleinen Mann auf der Straße bleibt nichts im Geldbeutel«, sagt der Volksmund. Uwe Heimowski wagt den Faktencheck.

Die denken doch, das ist ein Selbstbedienungsladen – erhöhen sich ihre Diäten, wie sie wollen!“, schimpfte da neulich einer. Der Mann war in Fahrt gekommen. Nach den Politikern nahm er sich die Beamten vor, die Banker, die Ausbeuter im Allgemeinen und seinen Chef im Besonderen. Diese Typen bekämen allesamt sowieso schon viel zu viel und nähmen sich immer mehr, er selber hingegen verdiene schon immer viel zu wenig und niemand störe sich daran. Saftladen!
Keine Frage: Es gibt sie, die gravierenden Ungerechtigkeiten. Wenn ein Mensch trotz 40-Stunden-Woche auf Unterstützung angewiesen ist – das ist schlicht und ergreifend entwürdigend. Oder sehen wir uns den globalen Zusammenhang an: Wenn wir, die Menschen auf der nördlichen Hälfte des Erdballs, einfach mal qua Geburt mit Nahrung, Wohnung und Sozialleistungen versorgt sind, während im Süden für viele mit dem ersten Atemzug der tägliche Überlebenskampf beginnt. Soll das gerecht sein?

AUGEN AUF FÜR DIE UNGERECHTIGKEITEN
Wir dürfen die Augen vor diesen Ungerechtigkeiten nicht verschließen. Gerade Christen sind aufgefordert, für Recht und Gerechtigkeit einzustehen: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“ (Amos 5,24). Und doch möchte ich mal die Frage stellen: Regen wir uns vielleicht vor allem dann auf, wenn wir selber nicht auf der Sonnenseite stehen? Sehen wir Ungerechtigkeiten auch bei den anderen? Oder nur den eigenen (vermeintlichen) Nachteil?
Nun zum „Selbstbedienungsladen“ der Politiker. Das Einkommen von Bundestagsabgeordneten ist öffentlich und wird auf www.bundestag.de sehr transparent erklärt: „Das meist als Hauptberuf wahrgenommene Amt des Parlamentariers muss finanziell so ausgestattet sein, dass es für alle offen steht: sowohl für bisher abhängig Beschäftigte als auch für Selbstständige oder Freiberufler. Die Entschädigung muss für alle Abgeordneten gleich sein, ihre Unabhängigkeit sichern und eine Lebensführung gestatten, ‚die der Bedeutung des Amtes angemessen ist‘. Das hat das Bundesverfassungsgericht 1975 verbindlich festgelegt. Grundsätzlich gilt, dass alle gewählten Abgeordneten in der Lage sein sollen, effektiv ihre vielseitigen Aufgaben zu erfüllen. Zum 1. Juli 2016 ist die Entschädigung auf Grundlage der Entwicklung des Nominallohnindexes auf monatlich 9.327,21 Euro angepasst worden. Zur Entschädigung kommt eine steuerfreie Aufwandspauschale für die sogenannte Amtsausstattung hinzu. Diese Pauschale wird jährlich zum 1. Januar an die Lebenshaltungskosten angepasst und liegt derzeit bei 4.305,46 Euro monatlich. Davon müssen alle Ausgaben bestritten werden, die zur Ausübung des Mandates anfallen: vom Wahlkreisbüro über den zweiten Wohnsitz in Berlin bis hin zum Büromaterial.“

ZU VIEL IST RELATIV
Ist das zu viel? Es ist deutlich mehr als das Durchschnittseinkommen. Allerdings tragen die 630 Abgeordneten auch eine ganz andere Verantwortung. Sie repräsentieren mehr als 200.000 Menschen in ihrem Wahlkreis. Sie arbeiten 60 Stunden pro Woche und mehr. Sie verdienen weniger als ein Bundesrichter, und deutlich weniger als ein Manager oder ein Profifußballer. Wenn ich das vergleiche, muss ich sagen: Für meine Begriffe bekommen Bundestagsabgeordnete eine angemessene Entschädigung. Was ich allerdings kritisch sehe, sind hohe Nebeneinkünfte. Und noch eine Frage kommt mir in diesem Zusammenhang: Wer verdient eigentlich, was er verdient?
Jesus Christus hat dazu ein Gleichnis erzählt: Ein Mann geht auf Reisen. Für die Zeit der Abwesenheit vertraut er seine Talente, die Währungseinheit jener Zeit, seinen Dienern an. Einer erhält fünf Talente, ein anderer zwei, der letzte eines. Nach seiner Rückkehr erfährt der Mann von den ersten beiden Dienern, dass sie das Talent eingesetzt, damit gewirtschaftet und einen Gewinn erzielt haben. Beide werden gelobt und nun über größere Aufgaben gesetzt. Der Mann mit dem einzigen Talent hingegen hat es vergraben, weil er Angst hatte, etwas Falsches zu tun. Er wird getadelt, sein einziges Talent wird ihm wieder abgenommen. Die Botschaft ist eindeutig: Nicht wie viel jemand verdient, ist die eigentliche Frage – denn die Unterschiede in seinem Gleichnis sind ja gravierend – sondern was jemand aus seinen Talenten macht.

AN DIE EIGENE NASE PACKEN
Der häufigste Grund, dass wir unsere Talente vergraben, ist dieser: Wir schielen auf die anderen. Weil die mehr haben, sind wir unzufrieden. Doch wem hilft das? Lasst uns mal schön unsere eigene Verantwortung wahrnehmen.
Mir fällt Marc ein. Ein junger Autist aus meiner Gemeinde. Vor einigen Jahren ging auf unserem Gemeindekonto ein Dauerauftrag von 5,61 Euro ein. Marc hatte ihn – mit Zustimmung seiner Eltern – eingerichtet. Als ich ihn darauf ansprach, erklärte er mir, dass das zehn Prozent von seinem Taschengeld sind. Marc war Christ geworden und fand es wichtig, den Zehnten zu geben. Wenn sich dieser junge Mann als reich genug wahrnehmen konnte, um etwas weiterzugeben, um wie viel kann ich das dann? Und du. Und die Politiker, die Banker, die Chefs sollten es ebenfalls tun. Gerechtigkeit bedeutet nicht Gleichheit. Gerechtigkeit bedeutet, meine Gaben, meine Zeit und das Geld, das ich verdiene, verantwortlich einzusetzen.

 

Uwe Heimowski (52) ist ehrenamtlicher Stadtrat in Gera. Er ist verheiratet mit Christine und Vater von fünf Kindern. Seit dem 1. Oktober 2016 arbeitet er als Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz beim Deutschen Bundestag in Berlin.

Was denken Sie? Stimmen Sie dem Autor zu? Wo würden Sie ihm widersprechen? Diskutieren Sie mit unter www.MOVO.net.

 

 

Wie verkaufe ich den lieben Gott?

Ein Gespräch über Männerglauben, Männerbilder und Männergesang

Braucht Gott Marketing?
Nein. Er braucht es nicht, aber er liebt es. Gott braucht keine Werbung, aber Follower, die von ihm begeistert sind und die Botschaft weitererzählen.

Auf welche Kernmarken würde Gott setzen?
Im letzten Jahr haben wir als Firma eine Kampagne für den katholischen Weltjugendtag in Polen verantwortet. Das Hauptthema war „Selig die Barmherzigen“. Dies ist eigentlich das Thema, das im Vordergrund stehen müsste. Von diesem Begriff her könnte man die Hinwendung, die Wegnahme und die Wiederkehr Jesu bespielen. Barmherzigkeit und Gnade sind Gottes Kernmarken.

Angenommen, ein Konzern würde Ihnen ein großes Budget zur Verfügung stellen, um eine Image-Kampagne für Gott aufzuziehen. Wie sähe diese aus?
Wenn sie sich an die Menschheit allgemein richtet, würde ich das Thema „Nächstenliebe“ besetzen. In Blick auf die junge Generation müsste man stark auf Storytelling gehen. Sinnsuche ist das Thema der jungen Leute zwischen 15 und 30 Jahren. Jesus hat Storytelling übrigens fabelhaft vorgemacht in den Gleichnissen.

Muss man Männern Gott anders verkaufen als Frauen?
Kommt darauf an. Wenn man auf das stereotypische Mannbild setzt, nach dem Motto: Männer sind stark, hart, wild etc., dann ja. Mein Eindruck ist allerdings: Das stereotypische Beharren gerade im christlichen Bereich hat etwas Angstbesetztes. Als Gegenpol zur empfundenen Auflösung der Geschlechter wird sich besonders brachial an den alten Klischees festgeklammert. Das halte ich für aus der Not geboren. Es gibt Männer, die eben eher auf feminine Inhalte ansprechen. Gott hat uns als Mann und Frau geschaffen, aber eben ganz individuell.

Also nicht zurück in den Wald und ans Lagerfeuer?
Wem das gefällt, der soll das gerne machen. Problematisch wird es nur, wenn uns Männern signalisiert wird: Nur wenn du das mitmachst, dann bist du ein richtiger Mann. Ich sage: Lass doch jeden Mann sein, wie er sein will. Mich befremdet das, wenn Männer plötzlich von Identitäts- und Christuserfahrungen schwärmen und dabei nur Stockbrot gemacht, Bäume abgesägt haben und durch den Schlamm gerobbt sind. Ich meine: Man muss dem nicht immer so eine tiefe Ebene beimessen.

Tatsache scheint aber, dass Frauen vom Glauben mehr angesprochen werden … Was schlägt der Medienberater hier vor?
Tendenziell benötigen Männer vermutlich nicht so viel Nettes, sondern eher etwas Handfestes. Männer wollen tiefer einsteigen und nicht plaudern. Männer erreicht man über Standpunkte und Diskussionen. Grundsätzlich würde ich sagen: Schaut, wie die Lebensrealität eurer Männer aussieht und entwickelt daraus mit ihnen gemeinsam ein Programm. Individualität kommt vor Rezept!

Ehrenamtlich bringen Sie sich in der Musikarbeit Ihrer Gemeinde als Lobpreisleiter ein. Warum sollten Männer singen?
Weil das, was ich singe, vom Kopf ins Herz rutscht, weil Lautsein und Grölen eine männliche Eigenschaft ist. Schauen Sie doch mal ins Stadion, da stehen die Männer Arm in Arm und singen.

Warum sitzen dann Männer sonntags mit verschränkten Armen in den Gemeinden und lassen das Singen bloß über sich ergehen?
Als jemand, der selbst vorne steht und für die Atmosphäre verantwortlich ist, frage ich ganz selbstkritisch: Haben wir vielleicht manchmal zu viel Scham, uns zu öffnen? Vor Gott stehen, lauthals von Herzen mitsingen, das wirkt nicht besonders erwachsen, seriös, hört sich vielleicht auch etwas schief an. Und dann muss Mann sich in der Transzendenz auch noch ausliefern. Und das Sich-aus-der-Hand-Geben fällt uns Männern vermutlich doch eher schwer.

Gibt es Ihrer Erfahrung nach einen Musikstil, der Männer eher anspricht?
Hymnen! Eher erdig, umgangssprachlich als kitschig.

Liegt das Heil immer nur in den hipsten Lobpreissongs?
Nein! Da liegt wahrscheinlich eher das Unheil. Es geht nicht um hip oder nicht hip, sondern um die Botschaft, die dahintersteckt. Mein Gefühl ist, dass wir manchmal mehr die Packung anbeten als den Inhalt.

Was zeichnet für Sie ein gutes Lied aus?
Ich muss es nach zwei, dreimal Hören melodisch und inhaltlich verstanden haben. Und es muss eine Botschaft haben, die mit in meinen Alltag geht, mich trägt und herausfordert.

Über die Musikfrage wird in deutschsprachigen Gemeinden viel gestritten. Was raten Sie als Fachmann Männern, Frauen, Jungen und Alten in dieser Frage?
Die Diskussion darüber ist totaler Unsinn. Kein Telefonunternehmen der Welt kann es sich heute noch leisten, nur noch einen Tarif für alle anzubieten. Kein Restaurant der Welt wird alle Menschen mit einem Gericht beglücken. Gemeindeleitungen oder Gemeindeverantwortliche müssen für sich klären: Wen erreichen wir, wen wollen wir erreichen? Und dann gilt es, mutig auf mehrere Anbieter zu setzen oder eben auch nur eine Pizzeria aufzumachen, auch auf die Gefahr hin, dass dann die Liebhaber der Deutschen Küche gehen werden.

Ihr Lieblingschoral ist?
„Großer Gott, wir loben dich.“ Den Song finde ich gar nicht so geil, aber seltsamerweise habe ich ihn immer im Kopf. Ich gehe laufen und plötzlich sind die Zeilen da. Von daher kann er nicht schlecht sein.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

 

Daniel-John Riedl (32) ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er lebt und arbeitet in Düsseldorf. Auf seinem Weg zum Job entsteht der Blog „Die Geschichte zählt“ (www.diegeschichtezaehlt.com). Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Creative Director in der Werbung investiert er sich als Lobpreisleiter in Düsseldorf sowie in vielen konfessionsübergreifenden Initiativen. Er ist Initiator des Lobpreis-Netzwerks LIVEWORSHIP.

 

 

»Und führe uns nicht in Versuchung …

Auch wer glücklich verheiratet ist, kann eine Frau treffen, die ihn sofort fasziniert. Dann kommt es darauf an, kühlen Kopf zu bewahren und sich klarzumachen, was auf dem Spiel steht. Unser Autor, der anonym bleiben möchte, hat genau das erlebt.

Ich bin aufgeregt wie ein Pennäler vor dem ersten Date. Dabei kenne ich sie gar nicht. Wir hatten vor ein paar Jahren beruflich miteinander zu tun, seither haben wir zwei- oder dreimal telefoniert. Schon lange wollten wir uns treffen, jetzt konnte ich es auf einer Geschäftsreise einbauen.

GELEGENHEITSBEGEGNUNG AUF EINER DIENSTREISE
Ich erinnere mich an unser erstes Telefongespräch im Spätherbst. Während wir redeten, wich draußen die Dämmerung der Nacht. Ich saß im Halbdunkel und spürte eine tiefe Verbundenheit – trotz der Entfernung und obwohl ich zum ersten Mal mit ihr sprach. Plötzlich ging es auch um ganz private Dinge. Wir verabredeten uns auf ein nächstes Telefonat, zu dem es allerdings erst zwei Jahre später kam. Auch hier plötzlich ein tiefes Verstehen. Und mein spontaner Wunsch, sie einmal persönlich zu treffen. Klar, ich bin schon lange verheiratet, wir haben Kinder und unsere Ehe ist wirklich sehr innig. Wir teilen auch im stressigen Alltag viel Zeit miteinander, reden mehr als die meisten Paare um uns herum. Auch sexuell läuft es ganz gut.
Warum will ich mich dann mit dieser anderen Frau treffen? Ich weiß, sie ist Single, etwas jünger als ich. Ist sie attraktiv? Ich kenne nur ein Foto aus dem Internet – und ihre Stimme. Eine sehr angenehme, dunkle Stimme. Nicht direkt erotisch, aber irgendwie beruhigend.
Also durchaus gefährlich, dessen bin ich mir bewusst. Aber ich bin neugierig. Ich lerne gerne andere Menschen kennen, vor allem solche, die in einer ganz anderen Umgebung leben als ich. Ich frage gerne und habe dabei schon viel gelernt.
Jetzt stehe ich also im Hotelbadezimmer vor dem Spiegel und schaue mich prüfend an. Für mein Alter sehe ich noch ganz ordentlich aus. Ich sollte zum Frisör, und die Ringe unter den Augen waren auch schon weniger. Dann ruft der Portier an, eine junge Dame warte auf mich.
Sie sieht genauso aus wie auf dem Bild. Ich bitte sie, kurz im Licht stehenzubleiben, damit ich sie anschauen kann. Ein Kompliment, „Sie sehen aus wie auf dem Foto – nur jünger“, geht mir leicht über die Lippen. Sie errötet. Schon im Auto – sie hat in einem kleinen Restaurant etwas weiter weg reserviert – biete ich ihr das „du“ an. Sie ist erleichtert. Es fühle sich an, sagt sie, als träfe sie einen alten Freund.
Unsere Zuneigung ist also gegenseitig. Klar, sonst hätte sie einem Treffen ja nicht zugestimmt. Der Abend ist sehr bereichernd. Wir reden, als würden wir uns schon ewig kennen, hätten uns aber Jahrzehnte nicht gesehen. Haben wir uns in einem früheren Leben schon mal getroffen? Sie glaubt an die Reinkarnation, und ich halte den Gedanken nicht für abwegig.

EIN ERKÄMPFTES NEIN
„Unsere Zeit ist so kostbar, möchtest du noch zu mir kommen?“ Ihre Frage, als sie mich zum Hotel zurückfährt, macht mich kurz schwindelig. Aber ich bin wirklich müde, und es ist mir einfach zu gefährlich, mit einer fremden Frau nach Hause zu gehen. Ich lehne dankend ab und bin froh, kurz nach Mitternacht im Hotelzimmer zu sein. War die Abschiedsumarmung zu lange? Wir könnten ja zusammen frühstücken …
Um kurz nach eins kommt eine Kurznachricht: Mit Frühstück sieht es schlecht aus, alle Cafés öffnen zu spät. Ich sehe die Nachricht erst am Morgen, als ich aufstehe. Dann lassen wir es, schreibe ich zurück. Ich habe einen vollen Tag vor mir, und Hektik nach einem so schönen Abend will ich nicht. Noch während ich frühstücke, kommt die Nachricht, dass sie mich noch zum Bahnhof begleiten will. Eine halbe Stunde bleibt uns, wir schlendern durch die Stadt, und ich fühle mich reich beschenkt.
Zu Hause erzähle ich meinem besten Freund von der Begegnung. Er schaut mich an. „Deine Gedanken sind wohl gerade oft bei ihr, oder?“ Ja, das sind sie. Vor allem nach dem Telefonat ein paar Tage später, wo sie als erstes sagte: „Es ist schön, deine Stimme zu hören.“ Da ist er wieder, der Schauer über meinem Rücken. Das geht ein paar Tage so, in denen ich jede Mail und jede Kurznachricht von ihr hundert Mal lese. Obwohl ich weiß, dass das nicht gut ist. Auch wenn ich mir immer wieder einrede, da sei doch nichts außer Sympathie. Männer sind ja ziemlich gut darin, sich die Wirklichkeit zurechtzubiegen. Aber tief in mir drinnen weiß ich genau, wie gefährlich dieses Spiel ist.
Ich werde immer unruhiger. Doch dann treffe ich eine Entscheidung: Ich will nicht untreu sein. Schon gar nicht in Gedanken. Ich will nicht so viele Ehejahre und das Vertrauen in mich in die Tonne treten. Ich breche den privaten Kontakt zu dieser Frau ab – auch wenn es schmerzt, und auch wenn wir beruflich weiter miteinander zu tun haben werden. Mit meiner Frau muss ich das noch bereden. Falls der Durchhaltewillen nicht ausreicht, werde ich mir Hilfe holen bei Männern, die solche Versuchungen kennen. Davon kenne ich eine ganze Menge. Und ich werde das „Vaterunser“ noch bewusster beten: „Und führe uns nicht in Versuchung …“

N.N. (Der Name des Autors ist der Redaktion bekannt)

 

»Bordell Deutschland«

Manche nennen es das »älteste Gewerbe der Welt«, sprechen von »Bordsteinschwalben« und von »käuflicher Liebe«. Uwe Heimowski ärgert dies, denn mit den schönen Worten wird die Wirklichkeit von Prostitution und Menschenhandel verschleiert.

„Sexarbeit“ wird uns von Lobbyisten in Talkshows und auf Hochglanzbroschüren als seriös, lukrativ, glamourös, die Frauen als selbstbestimmt präsentiert. Und ja, natürlich: Es gibt sie, die gut verdienenden, freiwillig arbeitenden „pretty women“ in den Escort- Services. Für den Großteil der Frauen sieht die Realität aber vollkommen anders aus. Hinter den rot erleuchteten Schaufenstern leben Frauen, etliche missbraucht, erniedrigt und ausgebeutet.

ZWANGSPROSTITUTION IN NEUN VON ZEHN FÄLLEN
Die Zahl der Prostituierten in Deutschland wächst seit Jahren. Das Geschäft mit der Ware Sex blüht und macht – zweifelhafte – Schlagzeilen: „Bordell Deutschland“ (Der Spiegel). Die genaue Zahl der „Sexarbeiterinnen“ ist nicht bekannt. Mafiöse Strukturen machen solide Schätzungen fast unmöglich. Experten gehen aber davon aus, dass mindestens 200.000 Prostituierte in Deutschland tätig sind. Die meisten davon gegen ihren Willen. Christian Zabel, Leiter Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt Niedersachsen, schätzt ein, dass sexuelle Dienstleistungen in neun von zehn Fällen durch eine Zwangsprostituierte angeboten werden. Andere gehen von einem etwas geringeren Anteil aus. Doch selbst wenn es „nur“ die Hälfte wäre: Fünf von zehn Frauen werden zum Sex gezwungen. Mindestens 100.000 Frauen werden gegen ihren Willen prostituiert. Mitten in unserer Gesellschaft, ohne, dass wir groß Notiz davon nehmen. Die Verschleierung hat Methode. Milliarden werden in der Sex-Branche verdient. Das Statistische Bundesamt schätzt, dass in Deutschland jährlich 14,6 Milliarden Euro umgesetzt werden. Durch eine einzige Frau kann nach Angaben des BKA jährlich ein Gewinn von 35.000 bis 100.000 Euro erzielt werden. Dazu kommen die rasant wachsenden Umsätze in der Pornoindustrie. Geld, das die Zuhälter oder Bordellbesitzer einnehmen; bei Zwangsprostituierten kommt nur ein Bruchteil an, häufig reicht das kaum zum Leben. Soviel zur Lage – nun zur Politik. Deutschland hat eines der liberalsten Prostitutionsgesetze der Welt. Als dieses Gesetz 2002 auf den Weg gebracht wurde, war es eigentlich gut gemeint: Die Rechte von Prostituierten sollten gestärkt, ihr Gewerbe als Beruf anerkannt und Sozialversicherungen, Altersvorsorge und Gesundheitsschutz ermöglicht werden. Doch wurde die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der „Runde Tisch Prostitution Nordrhein-Westfalen“ stellte 2014 fest, dass 99 Prozent der Prostituierten die Möglichkeit einer sozialversicherten Beschäftigung nicht angenommen haben. Wie auch, wenn sie gegen ihren Willen verschleppt wurden oder mit falschen Papieren anschaffen gehen müssen? So hat das Gesetz letztlich dazu geführt, dass Prostitution in Deutschland den Anstrich eines „ganz normalen“ Gewerbes bekam, während hinter der Fassade Zwangsprostitution und Menschenhandel ein nie gekanntes Ausmaß annehmen konnten.

AUFSTEHEN GEGEN DEN MENSCHENHANDEL
Im März 2016 stellte die Bundesregierung nun zwei neue Gesetzesentwürfe vor: Ein Prostituiertenschutzgesetz und ein „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie […] des Europäischen Parlaments und des Rates […] zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer“. Im Prostituiertenschutzgesetz werden einige dringend erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Frauen auf den Weg gebracht: Ein Verbot „menschenunwürdiger Geschäftsmodelle“ (z.B. Flatrate-Sex oder sogenannte „Gang-Bangs“, letztlich nichts anderes als Gruppenvergewaltigungen), regelmäßige Gesundheitsberatungen, und damit verbindlichen Kontakt zu staatlichen Institutionen, oder eine Kondompflicht für „Sexkäufer“. Im Entwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie zum Menschenhandel ist u.a. eine Bestrafung von Freiern vorgesehen, die wissentlich und willentlich Betroffene von Menschenhandel missbrauchen. Das sind Maßnahmen, die helfen können, das Ausmaß von Zwangsprostitution einzudämmen. Doch es gibt weiterhin Handlungsbedarf. Einige Forderungen hat der Verein „Gemeinsam gegen Menschenhandel“ formuliert: Viele der Opfer sind unter 21 Jahre alt, daher ist eine Heraufsetzung des Schutzalters auf 21 Jahre notwendig. Auch müssen Aussteigerprogramme und Schutzhäuser für Frauen besser ausgestattet werden. Oder wir machen es so: Das französische Parlament hat am 6. April eine „Freierbestrafung“ beschlossen, ein generelles Verbot von Sexkauf, bei dem die Sexkäufer bestraft werden und nicht die Frauen, wie es in Schweden bereits seit einigen Jahren praktiziert wird.

DEN FRAUEN IHRE WÜRDE LASSEN
Was kann Man(n) tun? Wie können wir politisch Einfluss nehmen? Etwa, indem wir Briefe an Abgeordnete schreiben. Muster dafür finden sich auf www.gemeinsamgegen- menschenhandel.de. Und vor allem sollte Mann etwas nicht tun. Wenn wir die Mechanismen hinter dem Sexgewerbe verstehen, sollte einleuchten: Wer Dienstleistungen von Prostituierten in Anspruch nimmt oder Pornos konsumiert, der verletzt die Würde von Frauen. Also: Finger weg! Wie überall gilt auch hier: Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Es liegt an uns Männern, diesen „(Sklaven-)Markt“ trockenzulegen.

Uwe Heimowski (52) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Frank Heinrich. Zum 01.10.2016 übernimmt der Stadtrat und Vater von fünf Kindern die Aufgabe des Beauftragten für die Deutsche Evangelische Allianz beim Deutschen Bundestag. Mit seinem Buch „Der verdrängte Skandal – Menschenhandel in Deutschland“ (Brendow) lädt er zum Handeln ein.

Was denken Sie? Stimmen Sie dem Autor zu? Wo würden Sie ihm widersprechen? Diskutieren Sie mit unter www.MOVO.net.

Damit der Trott nicht scheidet

Gelingende Beziehungen fallen nicht vom Himmel, sondern müssen erkämpft werden. Gerade auch von Männern. MOVO im Gespräch mit dem Paarberater Bernhard Kuhl.

Wann landen Paare bei Ihnen auf dem Sofa?
Ein Sofa kann ich nicht bieten. Meistens ist den Paaren auch nicht nach gemütlicher Runde zumute. Oft sind sie mit ihren Gedanken oder konkreten Schritten schon aus der Partnerschaft ausgebrochen. Da sind zwei Stühle, die man auseinanderrücken kann, schon besser.

Von wem geht in der Regel die Initiative für einen Besuch bei Ihnen aus?
Von dem, der in der Krise immer noch einen Funken Hoffnung hat. Bei „kleineren“ Konflikten sind das tendenziell eher die Frauen, wenn es um „alles oder nichts“ geht, versuchen manchmal auch die Männer zu retten, was häufig nicht Gelingende Beziehungen fallen nicht vom Himmel, sondern müssen erkämpft werden. Gerade auch von Männern. MOVO im Gespräch mit dem Paarberater Bernhard Kuhl. mehr zu retten ist. Sie kapieren oft erst zu spät, dass man was tun sollte.

Was sind Ihrer Erfahrung nach Gründe für die Beziehungskrisen?
Es hat immer etwas mit Kommunikation zu tun. Reden, Hören, Interpretieren, … Da sind die Fallen schon gelegt. Dann sind natürlich die Persönlichkeitsstrukturen oder auch die familiären Hintergründe ein Grund für die Anfälligkeit einer Beziehung. Nicht jeder hat z. B. gelernt, mit Konflikten umzugehen oder die Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen.

Was empfehlen Sie Paaren, damit sie nicht erst bei Ihnen auf zwei Stühlen landen?
Gute und ehrliche Gesprächspartner suchen, mit denen man ganz normal über dies und jenes in der Beziehung reden kann. Davon ausgehen, dass Missverständnisse und daraus resultierende Konflikte normal sind. Ab und zu mal ein Eheseminar besuchen, um in die Beziehung zu investieren. Sich in ein gemeinsames Projekt investieren.

Gibt es so etwas wie einen typischen blinden Fleck bei uns Männern?
Viele Männer haben ausgeprägte Abwehrtendenzen. Entweder sie leugnen ein aufkommendes Problem ganz oder sie verharmlosen es. Und wenn sie es endlich akzeptiert haben, scheint für gelingende Beziehungsarbeit die Frau verantwortlich. Viele Männer reduzieren eine gelingende Beziehung auf „guten“ Sex. Wenn sie an dieser Stelle zufrieden sind, dann sind sie eher passiv.

Was würden Sie den Männern nach mehr als 20 Jahren Beratungsarbeit gerne mal um die Ohren hauen?
Kapiert endlich, dass ihr als scheinbar sachbetonte Spezies mehr von euren Gefühlen bestimmt seid, als ihr meint! Geht diesen Gefühlen auf die Spur und lernt schätzen, was außer scheinbarer „Coolness“ oder Sachlichkeit noch in euch steckt.

Warum würden Sie sagen: Es lohnt sich, füreinander zu kämpfen, sich zusammenzuraufen?
Es ist ein großer Fehler, zu glauben, dass in einer neuen Beziehung alles besser läuft. Auch deren Gelingen ist mit Arbeit verbunden. Meistens lassen sich Konflikte auflösen und auch in der alten Beziehung neue und gute Wege erlernen. Wenn Kinder „im Spiel“ sind, lohnt es sich allemal. Sie leiden immer mit.

Trotz des guten Willens gehen auch Ehen unter Christen in die Brüche. Gibt es für Sie ein „gutes Scheitern?“
Es gibt Konstellationen, die sind so destruktiv, dass es sinnlos ist, immer weiter zu kämpfen. Dieses Scheitern dann aber als „gut“ zu bezeichnen, fällt mir schwer. Es bleibt notvoll. Gut ist dann höchstens, dass das gemeinsame Leiden ein Ende hat.

Gehen Männer mit dem Scheitern anders um als Frauen?
Männer haben die Tendenz, sich schnell mit einer neuen Frau zu trösten (wenn dieser „Trost“ nicht schon der Grund des Scheiterns war). Frauen wirken oft stärker, versuchen die neue Herausforderung kraftvoller anzunehmen. Die Gefühle (auch die der Männer) sind dabei so vielfältig wie die Menschen. Trauer, Wut, Verzweiflung, Antriebslosigkeit – die Gefühlspalette ist vielfältig und nicht vorhersehbar. Wobei die Kompensationen meist unterschiedlich sind: Männer lenken sich eher ab und suchen schnell emotionalen Trost bei einer anderen Frau oder in der Sucht, anstatt auf ihren Anteil im Konflikt zu sehen. Frauen sind meist „stark“, packen das Leben (oft alleine mit den Kindern) mutig an. Hier hilft ihnen, dass sie oft schon vorher mit Freundinnen im Gespräch waren und ihre Emotionen eher benennen können.

Führt der „zweite Frühling“, die zweite große Liebe, wirklich ins Glück?
Manchmal ja. Das hängt immer vom durchgestandenen Prozess ab und von der Verarbeitung. Deshalb sollte man nach einer Trennung gut bearbeitet haben, welche eigenen Anteile zum Konflikt geführt haben. Sehr oft aber wiederholt sich das, was in der ersten Beziehung schon schieflief. Auch zweite und dritte Beziehungen zerbrechen häufig.

Was raten Sie Männern vor dem Start in eine neue Beziehung?
Das Scheitern sollte bearbeitet werden, indem man mit einem Therapeuten, Coach oder Seelsorger die „Knackpunkte“ der ersten Beziehung angeschaut und Stolperfallen erkannt hat.

Wie wird die neue Partnerin nicht zum Trostpflaster?
Indem ich aus der Opferrolle herausgehe. Dies fängt mit der nötigen Selbsterkenntnis an, dass auch ich meine Anteile am Scheitern hatte. Wenn „die anderen“ schuld an meiner Lage sind, dann suche ich auch bei „anderen“ meine Rettung. Als Opfer suche ich Trost, als Teil des Problems packe ich meine Konfliktanteile an. Wobei das mit dem Trost so eine Sache ist. Wenn Gott sagt, dass er uns trösten will, wie einen seine Mutter tröstet, dann gibt es ja eine Stelle, an der wir mit unserem Bedürfnis nach Trost sehr ernst genommen werden.

Wie kommt man seinen blinden Flecken auf die Spur, wie übt man neue Verhaltensweisen ein, wie wird die neue Beziehung nicht nur eine Fortsetzung des alten Musters?
Indem man sich zu öffnen lernt. Blinde Flecken entdecken in der Regel nur die anderen. Wenn diese mir liebevoll gespiegelt werden, dann kann ich beschließen, neue Dinge zu tun oder alte nicht mehr zu tun. Ohne einen Coach, Mentor oder Seelsorger an der Seite gelingt das nur schwer.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang Vergebung?
Vergebung ist immer gut. Es reinigt die Seele, wenn man loslassen kann, was man als Schuldvorwurf dem anderen gegenüber in der Hand zu halten meint. Das Recht auf Vergeltung mag zwar im ersten Moment ein Gefühl der Überlegenheit erzeugen, aber es bindet mich an negative Erfahrungen. Deshalb sollte der Moment kommen, in dem ich das Versagen des anderen freigebe und mich von der negativen Bindung daran lossage.

Welche Rolle spielt für Sie der christliche Glaube im Zusammenhang von Scheitern und Neuanfang?
Vergebung ist zwar auch im säkularen Bereich ein hilfreiches Therapeutikum, es ist aber gerade für Christen mit einer enormen Kraft untermauert. Gott will unser „gutes Recht“ in seine Hand nehmen. Er ist der gerechte Richter. Insofern gebe ich nicht nur etwas ab, sondern ich gebe es an jemanden ab. Der ist auch im Scheitern bei mir. Das schafft ungeahnte, neue Perspektiven nach vorne.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Bernhard Kuhl (60) ist Lebens- und Eheberater (DAJEB), Mediator und Leiter der Beratungsstelle FREIRAUM (www. freiraum-muecke.de) in Mücke bei Gießen. Er ist verheiratet mit Doris, Vater von drei erwachsenen Kindern und Großvater von einem Enkel.

Von der Klippe gestoßen

Absturz im Beruf. Turbulenzen in der Familie. Zu müde zum Berge versetzen.

Der 17. Januar 2012. Ich kann mir diesen Tag besser merken als manchen Geburtstag. Es war der Tag, an dem ich als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens in die Zentrale der ausländischen Muttergesellschaft bestellt wurde. Kein Grund wurde genannt, es sollte sich wohl einfach um ein Jahresauftaktgespräch handeln. In dem gläsernen Büro meines Vorgesetzten wurde mir dann eröffnet, dass ich die Position des Geschäftsführers meiner Firma aufgeben müsse, um Platz zu machen für einen anderen. Ich fiel förmlich von einer Klippe.

ROTATION ALS GESCHÄFTSMODELL
Noch im Büro meines Vorgesetzten sitzend, wollte ich den Grund wissen, was zu der Entscheidung meiner Abberufung geführt habe. Die Aussage, es gäbe keinen spezifischen Grund, es sei nur mal eine „Rotation“ in der Führungsriege notwendig, sollte ausreichen. Man führte mich in einen Konferenzraum, in welchem mein Nachfolger auf mich wartete: Ein Kollege aus einem ausländischen Schwesterunternehmen, der selbst verunsichert war, mir gegenüberzutreten, kannten wir uns doch schon über viele Jahre.

Ich erinnere mich, dass ich auf dem Rückweg am Flughafen kulinarische Dinge kaufte, um damit zu Hause meiner Familie die neue Situation zu eröffnen, die doch „eigentlich“ gar nicht so schlecht sei. Eine besondere Art der Verdrängung, welche ich schon immer gut beherrschte: Bloß nichts hochkommen lassen.

Im März 2012 trat ich dann selbst vor die versammelte Belegschaft, um die Veränderung bekannt zu geben und unterstützte meinen Nachfolger nach bestem Wissen und Gewissen tatkräftig bei seinen Aufgaben. In meiner zurückgestuften Position kümmerte ich mich wieder ausschließlich um den Vertrieb und die geschäftliche Entwicklung des Unternehmens im Außenverhältnis.

Im selben Jahr entwickelte sich gerade ein Sturm in unserer Familie zu einem Orkan. Unser jüngstes von drei Kindern, das wir im Alter von zehn Monaten als Pflegekind aufgenommen hatten, suchte nach seinen Wurzeln und kam damit selbst nicht klar. Wenn wir uns telefonisch bei der Polizeistation im Nachbarort meldeten und um Hilfe baten, brauchten wir unseren Familiennamen nicht zu buchstabieren, man kannte uns bereits. Der Eklat gipfelte in einem Einsatz mit zwei Polizeistreifen, die sich anstrengten, eine unerlaubte und außer Kontrolle geratene Party unserer Jüngsten in unserem Haus zu beenden, während meine Frau und ich zum ersten Mal seit Langem versuchten, in einem 300 km entfernten Wellness-Hotel übers Wochenende etwas Kraft zu tanken.

Zuhause und in der Gemeinde versuchte meine Frau, alle Bälle in der Luft zu halten, um dann erst einen Hörsturz zu erleiden und anschließend in einem Burnout zu landen, welcher ihr einen mehrmonatigen Klinikaufenthalt bescherte.

DER STURM IN MIR
Und in mir? Da tobte ein Sturm, dem ich nicht erlaubte, herauszukommen. Ich suchte schließlich eine professionelle psychologische Beratung auf. Nach vielen Wochen erlaubte ich mir nach einer morgendlichen Sitzung, mich für den Rest des Tages krankzumelden. Bei einem Spaziergang in den Weinbergen ließ ich meinem Frust und meinen Tränen freien Lauf. Ich war zutiefst frustriert. Von Gott erwartete ich keine Antwort mehr. Nicht, dass ich ärgerlich auf ihn gewesen wäre – es war schlimmer: Es war eine geistliche Apathie, fast schon eine Agonie, und meine stetige Frage an Gott war: Wozu?

Anderthalb Jahre nach der ernüchternden Nachricht kündigte ich, um wieder ganz klein anzufangen. Meine neue Aufgabe besteht darin, eine Niederlassung für ein ausländisches Unternehmen im deutschsprachigen Raum aufzubauen. Eine neue Erfahrung, dass man nicht einfach den Mitarbeiter aus der IT-Abteilung anruft und ihn bittet, den neuen Rechner einzurichten. Oder ohne die Unterstützung der Human Ressources- Abteilung Stellenanzeigen zu formulieren und Mitarbeiter einzustellen. Als vor wenigen Wochen dann die Agenda des internationalen Sales-Meetings kam und ich unter keinem der genannten Punkte als Referent genannt war, merkte ich, dass es mir guttat. Ich durfte in die zweite Reihe treten und einfach nur zuhören. Noch wenige Jahre zuvor hätte mich das verletzt, dass man nicht an meinem Wissen und meiner Kompetenz interessiert wäre.

THERAPIE DES ZWEIFELNS
Während ich diese Zeilen schreibe, merke ich, wie es mir guttut und mein Computermonitor therapeutischen Charakter entwickelt. Weitere Fragen tun sich auf: Ist es erlaubt, sich zu freuen, dass meine damalige Firma seit dem Wechsel nur noch rote Zahlen schreibt und im Jahr meines Weggangs einen Verlust von fast 25 % aufweisen musste? Oder widerspricht das der christlichen Nächstenliebe und ich sollte mich schämen, solche Gedanken zu haben? Ich weiß es nicht.

Mein Glaubensleben hat sich verändert. Früher noch über jeden Zweifel erhaben, lasse ich sie zu und erlaube die Konfrontation mit ihnen. Früher sagte ich anderen, dass sie einfach glauben sollten, da Zweifel nicht in der Lage sind, Berge zu versetzen. Heute lasse ich die Frage zu, ob der Berg überhaupt versetzt werden soll. Dabei hat mir sehr geholfen, dass selbst Jesus Zweifel hatte und seinen Vater fragte, ob das mit der Kreuzigung sein müsse oder ob es auch einen anderen Weg gäbe (Lk 22,42). Scheitern und Zweifel gehören zum Leben, um daraus etwas Besseres entstehen zu lassen.

Dirk Hendrik Kneusels lebt in der Nähe von Darmstadt. Er hat drei erwachsene Kinder und ist Mitglied in der Evangelisch freikirchlichen Gemeinde Mühltal. Er leitet die Niederlassung eines italienischen Unternehmens.

Was haben Sie erlebt? Unter welchen „Abstürzen“ haben Sie gelitten? Was sind Ihre Scheiter- und Lernpunkte des Lebens? Erzählen Sie uns Ihre Geschichte: info@MOVO.net